Erfahrungen
Die Stimmen der Teilnehmer
Die hier veröffentlichten Modulberichte sind Teil des Bildungskonzepts der Wildnispädagogik-Ausbildung I & II an der Wildnisschule Lupus. Wir haben eindrückliche Berichte für dich zusammengestellt, um dir einen intensiven Einblick in die vielfältige Welt der Wildnispädagogik zu gewähren. Die Schüler und Schülerinnen lassen dich an ihrem Prozess der Erfahrung und Reflexion sowie an ihren Erfolgen und Misserfolgen teilhaben.
Mit diesen Berichten erhältst du einen Vorgeschmack, wie die Wildnispädagogik auch dein Leben verändern kann.
Wenn wir wieder in die Wälder gehen, werden wir zittern vor Kälte und Furcht. Doch wir werden Dinge erleben, so dass wir uns selbst nicht mehr kennen; kühles, wahres Leben wird sich auf uns stürzen, und Leidenschaft wird unseren Körper mit Kraft erfüllen. Mit neuer Kraft werden wir aufstampfen, und alles Alte wird abfallen. Wir werden lachen, und Gesetze werden sich kräuseln wie verbranntes Papier.
Geseko von Lüpke
Erfahrungsberichte
Wildnispädagigk-Ausbildung I
Laila H.
Modul 1: Das Fundament
– 1 –
Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, diese Ausbildung machen zu können.
Ich bin dankbar für die gut qualifizierten und achtsamen Coaches, die mich in meiner Ausbildung anleiten. Ich bin dankbar für die vielfältigen, offenherzigen und empathischen Menschen, die mich auf dieser Reise begleiten und sie mit ihren Erfahrungen, ihrem Wissen und ihren Perspektiven bereichern. Ich bin dankbar für die Natur, die mir Lern- und Erlebnisräume bietet, um wieder näher mit ihr in Verbindung zu treten. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, mich selbst neu zu finden und meine Stärken und Bedürfnisse besser kennen zu lernen.
Der Weg ist das Geschenk. Mit dieser Geschichte und einer Danksagung an die Natur wurden wir auf unsere Ausbildung eingestimmt. Die anschließende Vorstellungsrunde gab uns Gelegenheit, einen Einblick in die vielfältigen Persönlichkeiten und Motivationen in unserer Runde zu gewinnen und ich war berührt von der Offenheit, die bereits an diesem ersten Abend herrschte. Ich habe gespürt, dass ich mich am richtigen Ort befinde.
Gleich am ersten Abend wurde ich an meine Grenzen geführt. Ein Abendlauf bei kargem Licht zeigte mir, dass ich mich auf meine Instinkte gut verlassen konnte. Die Meditation am Sitzplatz im Dunkeln forderte mich heraus, weil ich zu dem Zeitpunkt nach einem langen Arbeitstag und sehr kurzfristiger Anreise noch nicht so weit zur Ruhe gekommen war, dass ich mich auf das Erlebnis richtig einlassen konnte. Das anhaltende Geräusch eines größeren Tiers verunsicherte mich schließlich so sehr, dass ich – meinem Instinkt folgend – vorzeitig zum Lager zurückkehrte.
In der ersten Nacht alleine im Tipi fror ich so stark, dass ich aus Sorge vor einer Unterkühlung keinen Schlaf finden konnte. Trotzdem stand ich mit ausreichend Energie auf, um in den nächsten Tag zu starten.
– 2 –
Nach einem Morgenlauf teilten wir bei einem warmen Frühstück unser Leid durch die kalte, schlaflose Nacht. Es war gut zu hören, dass ich nicht als einzige ungenügend vorbereitet war. In einem tiefen Dreiergespräch konnte ich zwei meiner Mitlernenden näher kennen lernen und fühlte mich langsam angekommen.
Die Morgenrunde mit Salbeiräuchern und Gesang stimmte uns sehr schön auf den zweiten Tag ein. Wir konnten unsere Erfahrungen teilen und es tat gut, einen Raum auch für Bedenken zu haben.
Jedoch standen diese anschließend meist unbeantwortet im Raum und ich hätte mir teilweise einen direkteren Austausch und Antworten der Coaches gewünscht.
Sehr konkret ging es weiter mit einer Sicherheitsunterweisung in den Gebrauch von Axt, Säge und Messer. Neben technischen Anweisungen, wurden wir insbesondere für einen achtsamen und bewussten Umgang mit den Werkzeugen und die Beachtung verletzlicher Körperregionen sensibilisiert („das rote Dreieck“, „Blutradius“, nie „ich mach das nur mal schnell“).
Mit dem Eulenblick lernten wir, im Weitwinkel zu schauen, um auch Bewegungen am Rande unseres Sichtfeldes bewusst wahrzunehmen. Im Spiel trainierten wir den Wechsel zwischen Fokus und Weitwinkel, was herausfordernd und gleichzeitig – im wahrsten Sinne des Wortes – augenöffnend war.
Zur Mittagszeit suchten wir unseren Sitzplatz auf. Leider konnte ich ihn nicht ganz exakt rekonstruieren, zu sehr war ich wohl gestern Abend noch abgelenkt gewesen. Heute konnte ich mich schon etwas besser auf meine Umgebung einlassen, auch wenn weiterhin viele Gedanken durch meinen Kopf gingen. Ich reflektierte viel über meine Lebenssituation und auch meine Beweggründe für die Ausbildung und als der Ruf zum Mittagessen kam, wäre ich gerne noch länger sitzen geblieben.
Nach Mittagessen und Siesta wurden wir zusammengerufen, um uns in unseren vier Clans zusammenzufinden. Ich wurde dem Biber-Clan zugeordnet – sehr treffend, da ich kürzlich gelernt habe, dass der Biber mein indianisches Sternzeichen ist. Innerhalb von zehn Minuten mussten wir mit einem einzelnen Streichholz ein Feuer entfachen, was wir dank guter Teamarbeit problemlos schafften. Es war interessant, hierbei verschiedene Strategien kennenzulernen, um Windschutz und gleichzeitig Durchlüftung sicherzustellen.
Bei einer Waldwanderung lernten wir die Familie der Kieferngewächse näher kennen (echte Nadeln + Zapfen, Kienspan, essbare Samen). Das blinde Ertasten eines Baumes war ein schönes Erlebnis und eröffnete nochmal einen anderen Zugang zu unserer Umgebung. Ohne menschliche Wege mussten wir zum Camp zurückkehren, was mir besonders viel Spaß gemacht hat – sonst scheue ich mich eher, die Wege zu verlassen, und war froh über diese Gelegenheit und die damit verbundene Herausforderung. Leider zerstreute sich unsere Gruppe auf dem Weg immer weiter und ich ärgerte mich etwas über die mangelnde Rücksichtnahme der Vorangehenden. Dennoch kehrten wir glücklicherweise alle heil zum Camp zurück, wo wir mit Abendessen empfangen wurden.
Diese Nacht verbrachten wir zu siebt im Tipi mit einem kleinen Feuer. Die Feuerwache war ein schönes Erlebnis und ich konnte danach trotz anhaltender Anspannung zumindest ein wenig Schlaf finden.
– 3 –
Trotz Übermüdung und Muskelkater ist der Morgenlauf eine essentielle Routine zur Aufwärmung und Aktivierung des Kreislaufs geworden. Danach ging es wieder auf den Sitzplatz. Dieses Mal suchte ich mir einen anderen Ort auf einem Hügel mit Blick auf das Camp und die Morgensonne und trat Stück für Stück mehr mit meiner Umgebung in Verbindung. Nach dem Frühstück ging es wieder in ein tiefes Zweiergespräch, was ich ein sehr schönes Ritual finde. Mittlerweile konnte ich fast allen Gesichtern einen Namen zuordnen.
Auf die Räucherrunde folgte die Ausstattungskunde mit Maurice. Ich machte viele Notizen, um zuhause zu entscheiden, was ich mir anschaffen möchte. Danach übten wir Schnitzen am Beispiel eines Herings, was mir viel Freude machte. Mir gefällt in der Ausbildung sehr die Balance zwischen intuitivem Erleben und konkreter Wissensvermittlung, auch wenn ich mir manchmal etwas mehr Wissensvermittlung wünschen würde.
Nach Mittagessen und Siesta wurde die Gruppe entlang der Clans geteilt. Meine Gruppe startete mit Marcel. Zum ersten Mal im Laufe des Wochenendes war mir mittags richtig warm, was sehr gut tat. Wir lernten die Viereratmung zur Beruhigung des Nervensystems und gingen schweigend in den Wald, wo wir – ganz ohne Worte – lernten, Schnüre aus Fichtenwurzeln zu machen. Das Schweigen resonierte stark mit mir. Als sehr introvertierte Jugendliche haben mir oft die Worte gefehlt und ich hatte mich in regen Konversationen meist fehl am Platz gefühlt. Komplett von der Anforderung gelöst, die richtigen Worte zu finden, habe ich mich bei dieser Übung unheimlich wohl gefühlt und war danach richtig erholt und energetisiert. Es hat in mir den Wunsch geweckt, dieses Erlebnis auch anderen Menschen zu ermöglichen und bei meiner zukünftigen Arbeit als Wildnispädagogin verstärkt Wert darauf zu legen, unterschiedliche Bedürfnisse und Temperamente von Teilnehmenden zu berücksichtigen.
Als nächstes sind wir mit Robin in den Wald gegangen und haben drei Knoten, sowie den Aufbau eines Tarp gelernt, was mir auch viel Freude gemacht hat. Als die Sonne unterging, wurde es schnell kalt und das anhaltende Fröstelgefühl ist wieder in ein Frieren übergegangen.
Nach dem Abendessen trafen wir uns am Feuer, um bei gemeinsamem Gesang unsere drei Ziele für das kommende Jahr den Flammen zu übergeben. Ich habe mir ein sehr persönliches und abstraktes und zwei relativ konkrete und handfeste Ziele gesetzt. Ich hoffe, dass ich die Entschlossenheit, die Energie und die Zeit aufbringen kann, um diese Ziele zu erreichen, und dass ich mich so auf diese Ausbildung einlassen kann, wie ich das gerne möchte.
Den Abschluss des Tages bildete der Trommellauf. Wir wurden mit Augenbinde am Wegrand im Wald ausgesetzt und sollten blind auf den Klang einer Trommel zusteuern. Es war ein tolles Erlebnis. Dem Sehsinn beraubt, wurden Gehör, Tastsinn und Gleichgewichtssinn in den Fokus gerückt. Ohne Hast und durch das Rascheln der anderen in meiner Nähe bestärkt, fand ich trotz zahlreicher Hindernisse den Weg zum Ziel. Gerne wäre ich barfuß und leichter bekleidet gegangen, um meine Umgebung noch intensiver zu erleben, aber dafür war es mir leider zu kalt.
In dieser Nacht konnte ich mich nach der Wärme des Tages etwas besser entspannen und für ein paar Stunden schlafen, auch wenn ich die mittlere Feuerwache übernahm.
– 4 –
Die Übermüdung der letzten Nächte summierte sich und war am letzten Morgen doch sehr deutlich spürbar. Beim Frühsport war ich schnell erschöpft und die Konzentration – insbesondere auf soziale Interaktionen – fiel mir zunehmend schwer.
Nach dem Frühstück hatten wir Zeit für eine Austauschrunde in unseren Clans. Leider war ich nicht mehr so richtig aufnahmefähig und hatte auch Schwierigkeiten, meine eigenen Gedanken zu sortieren.
Wir lernten, mit Feuerstahl umzugehen und experimentierten selbstständig mit verschiedenem Zunder, was viel Spaß gemacht hat. Neben dem Wunsch nach Naturverbindung und dem Interesse an Bildungsarbeit sind diese konkreten Fertigkeiten auch ein Grund für mich gewesen, die Ausbildung zu machen.
Wir sprachen über die Grundbedürfnisse in der Wildnis und Prioritäten in Notsituationen, was ich sehr hilfreich und interessant fand. Danach lernten wir durch wiederholtes Betrachten, geistiges Visualisieren und anschließendes Zeichnen zwei essbare Wildpflanzen (Spitzwegerich und Vogelmiere) kennen.
Außerdem wurden wir jeweils zu zweit in Kanu-Teams eingeteilt. Meine Laubfrosch-Partnerin ist in vielem mein genauer Gegensatz – wo ich mir mehr konkrete Anweisungen wünsche, wünscht sie sich mehr Erleben; wo ich eher rational entscheide, handelt sie eher intuitiv. Ich glaube, wir ergänzen und gut und können viel voneinander lernen.
Ein letzter Dankes-/Ahnenteller, eine letzte gemeinsame Mahlzeit, dann ging es ans Abbauen. Ich war körperlich und geistig erschöpft, aber angeregt und inspiriert. Obwohl ich mich auf mein warmes Bett freute, erschien es auch unvorstellbar, nach diesen drei Tagen in der Natur wieder in den Alltag zurückzukehren. In einer Abschlussrunde wurden kurz die inspirierendsten Erlebnisse geteilt. Ich habe Feuer gefangen in den vielen kleinen Momenten, in denen ich dachte „Ja, genau das wollte ich schon immer mal machen“.
– – –
Modul 2: Wildnis im Detail
– 1 –
Es war ein schönes Gefühl, wieder auf dem Gelände und in der Gruppe anzukommen. Alle Namen habe ich mir nicht gemerkt, aber die meisten, und es entstand schnell wieder ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich bin weiterhin sehr dankbar, hier dabei sein zu dürfen.
Nach Abendessen und Check-in tauschten wir uns in unseren Clans kurz zu den Missionen aus. Ich hatte nur einen Teil geschafft, womit ich aber vorher bereits gerechnet hatte, weil die letzten Wochen noch sehr arbeitsintensiv gewesen waren. Ich habe mir fest vorgenommen, den Rest im Anschluss an das Modul nachzuholen.
Ich fühlte mich dieses Mal deutlich besser vorbereitet, hatte in ein Zelt und einen warmen Schlafsack investiert und mich auf ein herausforderndes Wochenende eingestellt.
– 2 –
Die erste Nacht war stürmisch und regnerisch und ich konnte erst richtig einschlafen, als die Vögel ihr Morgenkonzert begannen. Trotzdem wachte ich guter Dinge auf und ging auf meinen Sitzplatz, der schon deutlich grüner war, als letztes Mal. Nach Frühsport, Frühstück und Räucherrunde sprachen wir über Survival-Mindset und die indigenen Wurzeln der Wildnispädadodik. Dann ging es an das Bauen der Laubhütte. In den Clans suchten wir einen geeigneten Platz, was sich gar nicht so einfach gestaltete, auch weil die Kommunikation in unserem Clan noch nicht so rund lief. Ich war etwas frustriert, aber merkte im Nachhinein, dass das nur teilweise mit dem Verhalten der anderen und sehr viel an meiner eigenen Einstellung lag. Ich war dankbar für diese Gelegenheit, etwas über mich selbst zu lernen und daran zu wachsen. Nach Mittagspause und Siesta stellten wir die Laubhütte fertig, mit der wir alle sehr zufrieden waren. Anschließend ging es ans Feuerbohren. Ich tat mich mit einer anderen Person zusammen, allerdings lief auch hier die Kommunikation nur mittelmäßig, sodass wir schlussendlich jeder unser eigenes Set aus mäßig geeigneten Hölzern hergestellt hatten, was mich unzufrieden stimmte. Nach dem Abendessen begannen wir mit dem Glutbrennen. Auch hier fand ich nicht so richtig den Einstieg und war mit meinem Stück Holz und meinem Fortschritt unzufrieden. Insgesamt war der zweite Tag von Frustration geprägt, was allerdings hauptsächlich an mir selbst lag.
– 3 –
Der dritte Tag war von Selbstreflexion, Überwindung mentaler Hürden und Kampfgeist geprägt. Ich konnte viel der gestrigen Frustration abbauen und mit einer neuen Motivation an die Herausforderungen herantreten. Den Frühsport brach ich aufgrund von körperlichen Einschränkungen ab, holte stattdessen den Sitzplatz nach, machte Schleichübungen und hatte ein gutes Gespräch mit meiner Kanupartnerin. Nach dem Frühstück bauten wir einen Vorbau an unsere Laubhütte und arbeiteten an den Feuerbohrern weiter. Nachdem ich die letzte Nacht relativ gut geschlafen hatte, war ich fit und statt einer Siesta half ich spontan beim Schnippeln fürs Abendessen, weil mir nach Gesellschaft war. Es regnete und graupelte immer wieder, aber auch diese Herausforderung konnte ich am zweiten Tag schon besser annehmen.
Nach dem Mittagessen bauten wir eine Tür für die Laubhütte und nach dem Abendessen setzten wir das Glutbrennen fort. Ich hatte Energie und war unter den letzten am Feuer. So richtig weit bin ich nicht gekommen, aber war am Ende trotzdem zufrieden damit, was ich den Tag über geleistet hatte.
– 4 –
Die letzte Nacht habe ich richtig gut durchgeschlafen. Ich bin dankbar für meine gute Ausrüstung und dafür, dass ich mich Stück für Stück wohler fühle hier draußen, je mehr ich lerne und je mehr Erfahrung ich sammle. Während die anderen beim Frühsport waren, bin ich eine Runde gelaufen und habe einen sehr schönen, ruhigen Ort im Wald entdeckt, wo ich ein Starenpaar bei der Brutpflege beobachten konnte. Im Anschluss an das Frühstück hatten wir wieder ein tiefes Zweiergespräch, was ich sehr schön fand und gerne täglich machen würde. Nach der Morgenrunde wurden die Laubhütten inspiziert und es war interessant, die Behausungen der anderen Clans zu sehen und über Schwierigkeiten und Lösungsansätze zu sprechen. Ich freue mich schon darauf, meine eigene Laubhütte zu bauen. Wir lernten auch wieder zwei neue Wildkräuter kennen und zwischendurch immer mehr über ess- und verwendbare Pflanzen, was mich sehr interessiert.
Ein verlassenes Amselnest lehrte uns eine wichtige Lektion über Achtsamkeit im Umgang mit der Natur und gab einen Anstoß, die Auswirkungen unseres Handelns zu reflektieren. Ich bin dankbar für die unterschiedlichen, einander wunderbar ergänzenden Perspektiven, die die verschiedenen Menschen in die Gruppe einbringen.
Ein letztes Mal kamen wir um die Feuerstelle zusammen und ließen das Wochenende ausklingen. Ich freute mich darauf, die Wildnisroutinen und Missionen in meine neu gewonnene Freizeit zu integrieren – jetzt, eine Woche später, merke ich, dass das doch eine größere Herausforderung ist, als erwartet. Ich bin nicht so richtig in den Fluss gekommen, weil mir immer wieder – körperlich und mental – Steine im Weg lagen. Aber ich habe, denke ich, eine gute Basis gebaut, um nun ins Fließen zu kommen.
Modul 4: Die Wildniswoche
– 1 –
Wir kommen an. Der Platz im Wald direkt am See ist toll und ich freue mich sehr auf die Woche. Nach einem langen, erholsamen Urlaub gehe ich mit Freude und Motivation in die Wildniswoche. Ich fühle mich schnell wohl in dem Mischwald mit seinen ganz verschiedenen Ecken und habe Lust zu erkunden. Es ist schön, die Menschen wiederzusehen. Einige Leute fehlen leider und eine Lücke in unserem Clan wird durch eine neue Person gefüllt. Es verändert die Dynamik, aber ist trotzdem eine Bereicherung. Ich schalte mein Handy aus und werde es die gesamte Woche beiseite legen.
Bei der Clanplatzsuche gibt es eine Spannung zwischen dem Bedürfnis, schnell einen Platz zu finden, der allen Kriterien entspricht, und dem Bedürfnis, erst ein Gefühl für die Umgebung zu bekommen. In respektvoller Einigung wird ein guter Platz ausgewählt.
Ich freue mich, dass in dieser Woche das Gemeinschaftsleben einen größeren Stellenwert bekommt und auch, dass Franz dadurch mehr freie Kapazitäten hat, um die Runde mit seinen Anregungen zu Reflexion, Spiritualität und Musik zu bereichern. Schön, dass er wieder dabei ist.
– 2 –
Alles ist im Fluss heute. Ich werde von Detlef geweckt, wache langsam auf und komme beim Schüttel-Tanz-freie-Bewegungen-Frühsport mit Franz in Schwung. Danach springe ich in den See und gehe trotz wenig Schlaf (womit ich in der ersten Nacht ohnehin gerechnet hatte) energetisiert und motiviert zum gemeinsamen Frühstück.
Die Pflanzenbegegnung stellt mich schon vor Herausforderungen. Ich ziehe mit offenem Geist los, streife herum, stelle aber schnell fest, dass ich doch zu hohe Ansprüche an die „richtige“ Pflanze habe. Sie sollte mir möglichst unbekannt sein – oder eine besondere Bedeutung für mich haben – sie sollte an einem Ort stehen, an dem ich mich gerne für eine Weile aufhalten möchte, sie sollte repräsentativ für ihre Art sein und mir möglichst viele Facetten zeigen… Nach einer Weile setze ich mich resigniert auf einen umgestürzten Baumstamm und komme mit einem kleinen Holunder neben mir ins Gespräch. Auch wenn ich anfangs etwas lustlos und widerwillig in die Interaktion gehe, merke ich schnell, dass auch er mir noch neue Seiten zu zeigen hat und vor allem, dass das Format des „ins-Gespräch-gehen“ nochmal eine ganz andere Ebene der Wahrnehmung und Verbindung in mir öffnet. Ich habe schon lange die Gewohnheit, Pflanzen im Vorbeigehen zu grüßen und auch ab und an ein paar Worte zu „wechseln“, aber habe noch nie so ein intensives Gespräch geführt, in dem ich mir ernsthaft die Zeit nehme, auf Antworten zu hören und auch die Pflanze zu Wort kommen zu lassen. Danach bin ich wieder im Fluss.
Der Tag startet mit Workshops zu Pflanzennahrung und Wasseraufbereitung. Ich interessiere mich eigentlich mehr für die Nahrung, aber der Andrang ist dort größer, also entscheide ich mich für den Distillen-Bau, der mich auch interessiert. Das Prinzip kenne ich schon aus Kindheitsexperimenten, aber habe es noch nie ernsthaft in so großem Stil ausprobiert. Es macht Spaß, in der Erde zu graben und ich bin gespannt auf das Ergebnis.
Mittags kommt Maurice vorbei und bringt uns ein unerwartetes Geschenk – die Geschichte eines erlegten Knopfbocks und dessen Fleisch. In der folgenden Diskussion über Jagdethik und Fleischkonsum kommt die Frage auf, ob man Fleisch essen sollte, wenn man nicht in der Lage ist, das Tier selbst zu töten. Diese Frage konfrontiert mich mit meinen eigenen Ängsten vor dem Tod und ich beschließe, das Geschenk zum Anlass zu nehmen, mich diesen Ängsten zu stellen. Ich widme den Tag der Zubereitung des Wildfleischs und kümmere mich um das Gulasch, während die anderen durch den Wald ziehen, um Müll zu sammeln. Es fühlt sich für mich stimmig an. Während viele andere das große Bedürfnis hatten, dem Wald etwas Gutes zu tun, weil sie sich nicht richtig willkommen gefühlt hatten, habe ich mich hier von Anfang an wohl gefühlt und schon im Alltag ständig Müll aufgelesen, sodass ich das Gefühl habe, mit dem Ort im Reinen zu sein. So kann ich mich dem Thema widmen, das für mich ansteht und die ehrenvolle Aufgabe übernehmen, das Abendessen für die Gruppe zu hüten. Vor dem Essen setze ich mich im Dunkeln in den Wald und stelle mir vor, was nach meinem Tod mit mir geschehen wird. Mein Körper zersetzt sich im Boden als Nahrung für kleinere Lebewesen. Mein Geist verlässt seine Hülle und tritt wieder in uneingeschränkte Verbindung mit dem allumfassenden Geist der restlichen Welt. Ich fühle mich verbunden und in Frieden und freue mich. Gleichzeitig bin ich dankbar für mein Leben und spüre, wie durch die neue Gelassenheit auch wieder mehr Lebenslust einkehrt. Die Angst ist nicht verschwunden, aber sie nimmt hier keinen Raum ein. Ich kehre ins Hier und Jetzt zurück, bedanke mich für die Erfahrung und gehe zum Essen. Ich bedanke mich bei dem Knopfbock und bei den Pflanzen, deren Körper Teil unseres Abendessens sind und uns nähren und freue mich für sie, dass sie nun auch in uneingeschränkter Verbindung mit allem stehen. Beim Essen komponiere ich ein Lied, um meine Erfahrung einzufangen.
When I go to the ground, I pray there’ll be a feast for all that lives beneath, for all that lives beneath.
When I go to the ground, don’t mourn for who I’ve been for who I am still lives within every bird and every tree.
When I go to the ground, my spirit will rise up high
and make its way, day by day, in this world beneath the sky.
While I walk on the Earth, I’ll laugh and dance and sing for none can say what the coming day will bring.
Nach dem Essen brechen wir gemeinsam im Scout Trail zum nahe gelegenen Feld auf. Die Orientierung bei stark abnehmendem Mond ist schwierig und wir verlaufen uns einmal kurz. Angekommen bekommen wir die Aufgabe, blind auf ein rotes Licht zuzusteuern. Ich freue mich auf die Herausforderung und norde mich vorher gut ein. Als ich dann an der Reihe bin, irre ich kreuz und quer über das Feld – mal zu stark nach links, mal rechts vorbei. Zu früh gebe ich auf und warte noch lange, bis die anderen mit ihren Versuchen durch sind. Ich hätte es gerne noch öfter versucht, war mir aber nicht sicher, wie lange wir Zeit haben, und wollte die Gruppe nicht aufhalten.
Wir beginnen den Tag mit einer langen Meditation. Wir werden von Licht durchströmt, unser Schmerz konzentriert sich in einem kleiner werdenden Punkt, den wir in die Welt hinaus stoßen, wir sinken in den Schoß der Erde und steigen auf über die Bäume, um anschließend in unseren Körper zurückzukehren. Als ich in meinen Körper zurückschlüpfe, fühle ich mich dort so präsent und wohl wie seit einer langen Zeit nicht mehr. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl und ich würde diese Mediation gerne wiederholen. Ich würde mich sehr über eine Audio-Aufzeichnung oder alternativ einen Text/Stichpunkte zum selbst Durchsprechen freuen!
Gestern Abend wurde angekündigt, dass wir uns heute ausschließlich aus der Natur ernähren werden. Ich freue mich auf den Tag, auch weil das viel Raum für Erkundung gibt, wozu ich bisher dann doch nicht so sehr gekommen war. Ich beschließe, alleine loszuziehen und genieße es sehr, umher zu streifen und dorthin zu gehen, wohin es mich gerade zieht. Die Anleitung zur Ehrenhaften Ernte in der Tasche gibt einen guten Anstoß, nochmal bewusster wahrzunehmen, was ich als Dank oder Gegenleistung für die gefundene Nahrung geben kann. Das so Geerntete nährt über die Inhaltsstoffe hinaus auch die Seele und ich fühle mich im Einklang mit der Welt. Ich frühstücke Brennesselsamen und ein paar Traubenkirschen, wofür ich im Gegenzug den Baum von einer umgestürzten Birke befreie. Jeder essbare Fund ist ein Geschenk, über das ich mich freue und für das ich dankbar bin. Ich habe keinen Hunger/Gelüste, sondern freue mich einfach über das, was ich finde. Meine einzige Sorge ist, dass ich zu wenig zum gemeinsamen Abendessen beitragen kann, aber dann finde ich doch einige Traubenkirschen. Während einer Rast auf einer Wiese versuche ich, die Meditation von heute Morgen zu wiederholen, aber es klappt nicht so ganz. Abends bereiten wir gemeinsam aus unseren Funden eine Mahlzeit zu. Ich bin positiv überrascht, wie kreativ das Essen wird, auch wenn die Koordination nicht so gut läuft und ich merke, dass alle etwas unfokussiert sind. Es gibt Eicheln-Apfel-Kekse, Rote Grütze (Traubenkirschen, Holunderbeeren, Vogelbeeren) und eine Pilz-Schilfwurzel-Wildkräuter-Suppe.
Leider kommt im letzten Moment Unsicherheit über die Essbarkeit des Pilzes auf und wir essen die Suppe nicht. Ich habe zwar keinen Hunger, aber ein Gefühl von Kreislaufschwäche und entscheide, ein bisschen Reste von gestern zu essen. Danach habe ich einen ziemlich verstimmten Magen. Ich fand die Erfahrung zwar bereichernd und insbesondere das Sammeln hat mir viel Spaß gemacht, aber der verstimmte Magen hat das Erlebnis ziemlich gedämpft und mich eher etwas demotiviert. Wenn ich so etwas nochmal versuche, werde ich mich auf jeden Fall langsam darauf einstellen und nicht von heute auf morgen ausschließlich auf Naturnahrung umsteigen.
Anschließend gibt es am Feuer noch eine Diskussionsrunde zum Thema Mann und Frau, den Wert von Verschiedenheiten und entsprechende Rituale. Die Diskussion verläuft unstrukturiert, unmoderiert und ohne klaren Rahmen/Ziel. Generell finde ich es gut, dass das Thema angesprochen wurde und habe auch einiges Gewinnbringendes mitgenommen. Eine bessere Vorbereitung und Einbettung wäre aber von Vorteil gewesen. Es war bestimmt auch nicht hilfreich, ein so tiefgreifendes und potentiell aufwühlendes Thema nach einem Fastentag zu führen. Im Anschluss machen wir auf Vorschlag von Franz einen Frauenkreis. Ich habe dazu kein Bedürfnis und sträube mich ein bisschen dagegen, weil ich mich in reinen Frauenrunden meist eher verunsichert fühle, aber schließe mich aus Solidarität an und bin froh, dass ich mich dafür entschieden habe.
Auch wenn ich mich grundsätzlich in gemischten Gruppen wohl fühle, gibt es doch auch Themen, die in einem Frauenkreis besser aufgehoben sind und andere Qualitäten, die dadurch zum Vorschein kommen. Es ist für mich eine Herausforderung, aber als ich mich darauf einlasse, tut es mir auch gut und stößt Themen in mir an, mit denen ich mich weiter beschäftigen möchte.
Am Freitag kündigt sich ein Gewitter an und ein Fokus liegt darauf, das Camp regenfest zu machen und einen safe place einzurichten. Wir machen eine erneute Frauenrunde, die einfach nur schön und bereichernd ist. Anschließend widmen wir uns im Clan endlich richtig unseren Himmelsrichtung-Aufgaben. Weil uns die Zeit davon läuft, entschließen wir uns dazu, sie im Sitzen am Gemeinschaftsplatz durch unsere Vorstellungskraft zu bearbeiten, was sehr gut funktioniert.
Wir lernen heute viel zum Coyote-Teaching. Dieser pädagogische Fokus ist etwas, das mir bislang noch gefehlt hat und ich bin insbesondere dankbar für die Erfahrungen, die die Teamer aus ihrer eigenen Arbeit teilen. Davon würde ich mir noch mehr wünschen, vielleicht gegen Ende der Ausbildung, wenn es darum geht, wie wir das Gelernte gut weitergeben können. Ich kann mich besser auf theoretischen Input konzentrieren, wenn ich dabei meine Hände beschäftige, und so beginne ich, aus umherliegenden Kiefernnadeln eine Schnur zu drehen. Vor dem Abendessen gehen die Workshops in die zweite Runde und, schon im Handarbeits-Flow, entscheide ich mich fürs Korbflechten. Es ist eine schöne, meditative und gleichzeitig gesellige Beschäftigung.
Abends am Feuer wird von Franz das Thema Tod und Dankbarkeit angesprochen und ich nutze den Moment, um mein Lied vom Mittwoch zu teilen. Es kostet mich Überwindung, aber die positive Resonanz tut sehr gut. Im Laufe des Abends werden noch weitere eigene Lieder geteilt und ich spüre, wie ich so richtig in der Gemeinschaft ankomme und wir alle noch ein großes Stück weiter zusammenwachsen. Da einige Schlafplätze nicht ganz regenfest waren, richten wir ein kleines Schlaflager am Gemeinschaftsplatz ein, dem ich mich auch anschließe.
– 6 –
Ich wache am Gemeinschaftsplatz auf, mache dort Yoga, flechte meinen Korb von gestern fertig, springe kurz in den See und gehe zum Frühstück zu meinem Clan. Ich fühle mich zuhause. Ich fühle mich wohl mit den Menschen um mich herum. Ich bin Teil einer Gemeinschaft und kann hier so sein, wie ich tatsächlich bin. Ich war mir nie so richtig sicher, was das für mich eigentlich bedeutet, aber ich glaube, hier habe ich es gefunden, habe einen Teil von mir wieder geweckt, der durch Vernachlässigung und Angst vor langer Zeit eingeschlafen war. Ich bin ein wenig verbittert, ihn so lange verloren gehabt zu haben, aber gleichzeitig sehr dankbar dafür, ihn nun wieder zu spüren.
Ich laufe blind und nackt an einem Seil entlang durch den Wald und fühle mich wohl in meiner Haut – nur die Motorsäge stört die Wahrnehmung (Was ist die Motorsäge in meinem Leben?). Alle Clans präsentieren auf ganz unterschiedliche Weise ihre Himmelsrichtungen und wir lernen viel über die 8 Schilde. Auch in die Vogelbestimmung steigen wir nochmal ein.
Am abendlichen Feuer wird wieder gesungen und diesmal habe ich kaum Hemmungen, meine eigenen Lieder zu teilen. Es entsteht wieder ein gemeinsames Schlaflager.
– 7 –
Am letzten Tag stellen wir uns gegenseitig die Ergebnisse der Workshops vor und machen ein paar Reaktionsspiele. Rückblickend hätte ich mir insgesamt noch etwas mehr Spiele gewünscht.
Zur Abschlussrunde gehen wir hinunter an den See, wo wir die Woche gestartet haben. Die Bäume rauschen im Wind, wie um uns zu verabschieden, so wie wir uns von ihnen verabschieden. Ich bin so dankbar für diese Woche, diesen Ort, diese Menschen und die Erfahrungen. Ich werde die Gemeinschaft sehr vermissen und mir Mühe geben, möglichst viel von dem hier Gelernten in meinen Alltag zu integrieren, um ihn schöner und lebenswerter zu gestalten. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Modul! Ich habe Feuer gefangen, bin im Fluss, fühle mich geerdet, kann zum ersten Mal seit langem wieder richtig durchatmen und fühle mich präsent. Danke.
Abschlussmodul: Prüfe dich selbst
– 1 –
Ich komme schon gegen 14:30 Uhr auf den Platz, um bei Bau- und Aufräumarbeiten zu helfen. Eigentlich hatte ich schon früher hier sein wollen, aber gleichzeitig spüre ich, dass ich wenig Kraft habe, nachdem das letzte Wochenende mit dem Beginn des Scout-Trainings schon ziemlich anstrengend gewesen war. Ich bin ein bisschen enttäuscht, nur eine andere Teilnehmerin beim Helfen zu sehen, aber froh, meinen kleinen Teil tun zu können, um dem Platz etwas für seine Gastfreundschaft zurückgeben zu können. Es ist auch schön, ein bisschen Zeit außerhalb der vollgeplanten Module hier zu haben und ich freue mich, Franz wieder zu sehen, der leider nicht für das Modul bleibt.
Ein Gewitter rollt über den Platz und ich verkrieche mich in mein gerade noch rechtzeitig aufgebautes Zelt und nutze die Zeit, um ein bisschen über das bevorstehende Ende der WP zu reflektieren und erlaube mir, die Wehmut zu fühlen, die ich bisher eher verdrängt habe…
Nachdem das Gewitter vorbeigezogen ist, kommen langsam auch die anderen an. Es ist schön, sie alle wieder zu sehen. Natti fehlt, aber kommt glücklicherweise am nächsten Tag dazu. Daniel ist leider nicht dabei.
In Vorbereitung auf die Entzündung des zeremoniellen Feuers am Samstag, um die Marcel mich gebeten hatte, bereite ich mein Feuerbohrset vor. Eigentlich hatte ich nur geplant, eine Mulde vorzubohren, aber einmal in der Bewegung komme ich richtig in den Flow und als mir die Spindel entgleitet, bin ich erst mal total überrascht davon, weiterhin feine Rauchschwaden aufsteigen zu sehen. Unsicher, ob es sich dabei tatsächlich schon um Glut handelt, gehe ich den ersten Versuch noch ziemlich stümperhaft an. Als dann aber Robin dazukommt, mir nochmal eine Ladung guter Tipps und trockenen Zunder gibt und einige Menschen Heu und Reisig herbeibringen, gelingt es mir tatsächlich, mit viel Wedeln des halbfeuchten Zundernests, mit meiner zweiten Glut ein Feuer zu entfachen. Ich bin so glücklich darüber, dass mir das hier noch gelungen ist!
Nach dem gemeinsamen Abendessen finden wir uns, da es wieder regnet, im Tipi zusammen für die Ankommensrunde.
Es fällt schwer anzunehmen, dass dieses Modul eigentlich das Ende der Ausbildung markieren soll. Nachdem ich im letzten Jahr sehr viel mit mir und meiner Umwelt gekämpft habe, fühle ich mich nach einem intensiven Reflexionsprozess im Winter nun endlich bereit, richtig in die Wildnispädagogik einzutauchen. Ich rede mir ein, wenn die Ausbildung jetzt starten würde, wäre ich bereit, mich richtig auf den Prozess einzulassen und die Aufgaben in dem vorgegebenen Zeitraum anzugehen…gleichzeitig wäre ich ohne die vergangene Ausbildung jetzt nicht an diesem Punkt. Ich habe beschlossen, dieses Modul nicht (nur) als einen Abschluss, sondern vielmehr als Teil eines Anfangs zu sehen. Im letzten Jahr habe ich die Grundlagen der Wildnispädagogik kennengelernt und viele Werkzeuge an die Hand bekommen. Dass ich sie im letzten Jahr nochnicht integrieren konnte, muss ich mir verzeihen. Ich habe noch den Rest meines Lebens, um das – Stück für Stück – zu tun, und weiß jetzt ein bisschen besser, wie ich das angehen kann und welche Hürden es zu bewältigen gibt. Außerdem habe ich für mich verstanden, dass es hier um mehr als eine berufliche Weiterbildung geht, sondern wirklich um den Kern dessen, was ich mit meinem Leben machen will, wie ich es leben und was ich bewirken will. Das Ende des offiziellen Ausbildungsteils nimmt mir hier vielleicht sogar ein bisschen den Druck; ich gehe nun nicht zum Sitzplatz, um die Aufgaben für das Zertifikat rechtzeitig abzuarbeiten, sondern weil ich meine Beziehung zur Natur reparieren und echte Verbindung aufbauen will. Ich war während der Ausbildung oft so auf die Pflicht der Aufgabenbearbeitung fokussiert, dass ich ihren Sinn aus den Augen verloren habe. Ich habe diesen Weg gewählt, weil ich die Verbindung zur Natur in mir und in anderen Menschen wiederherstellen will. Dafür brauche ich kein Blatt Papier, auf dem ein Titel steht, sondern eine stetige Praxis der „Renaturierung“. Dafür brauche ich Motivation und Neugierde und Begeisterung, Raum für Naturbegegnung und Selbstvertrauen – all das habe ich durch die Ausbildung bekommen und vielleicht ist das viel wichtiger, als innerhalb eines Jahres bestimmte Hard-Skills erworben und Aufgaben abgehakt zu haben.
– 2 –
Der Tag der Evaluierung.
Noch vor dem Frühstück treffe ich mich mit Philip, der mich zu meinem Sitzplatz begleitet und mir Fragen über meinen Weg in der WP stellt. Ich hatte mir im Vorhinein einige Worte zurechtgelegt, aber zur frühen Stunde und mit der Nervosität vor der Kamera fallen die Antworten leider weniger eloquent und treffend aus. Ich hoffe, dass meine Begeisterung und Dankbarkeit für die Wildnispädagogik trotzdem rübergekommen ist.
Nach einem Frühstück und einer gemeinsamen Runde mit Wiederauffrischung zum Thema Schutzbehausungen geht es hinaus in den Wald, um dort im Clan und mit wenig Ausrüstung 24 Stunden zu verbringen. Von einer Liste dürfen wir zwei Gegenstände pro Person mitnehmen. In unserem Biberclan, dem sich wieder Thorsten anschließt, sind wir zu sechst.
Wir sind uns schnell einig über die Ausrüstung und auch über die Einstellung, mit dem wir die Aufgabe angehen wollen. Wir haben alle Lust auf etwas Schlaf in einem sicheren Shelter, aber wollen auch die letzte Zeit im Clan genießen.
Schnell zeigt sich jedoch, dass in der Praxis zum einen die Bedürfnisse nach einem guten Platz, zum anderen auch nach Nutzung der Zeit doch etwas auseinandergehen. Der aufziehende Regen bringt einen Zeitdruck mit, der die Gruppendynamik etwas herausfordert. Auch was das Im- Moment-bleiben vs. Plaudern-und-Erzählen betrifft, gehen die Bedürfnisse auseinander. Da ich damit schon gerechnet hatte, kann ich es aber ganz gut akzeptieren. Schwerer wiegt für mich die Ungeduld, als wir nach einer ganzen Weile immer noch nicht mit dem Bau begonnen haben. Der Platz beim Nonnenfließ, für den wir uns schließlich entscheiden, hat einen guten Sichtschutz zu Wegen und ist nah an fließendem Wasser. Leider gefällt es hier auch den Wildschweinen sehr gut und die ganze Umgebung ist von Wühlspuren und frischer Losung übersät. Ich fühle mich aus Sorge vor Zecken nicht so richtig wohl dort, aber will die Entscheidung nicht noch weiter hinauszögern und stimme zu. Mein Energielevel war ohnehin etwas niedrig und als nun noch fehlende Nahrung und steigende Frustration hinzukommen, fällt es mir schwer, produktiv beim Shelter-Bau mitzuarbeiten. Auf der Suche nach Bauholz entdecke ich einige junge Buchen, die von einer umgestürzten Kiefer zerdrückt wurden. Ich befreie einige, so gut ich es schaffe und mache mental mit der Natur den Deal, dass uns im Tausch für meine Hilfe ein Schutz vor Zecken gewährt wird.
Dass wir schlussendlich tatsächlich frei von Zecken geblieben sind, mag zu einem großen Teil an der frühen Jahreszeit gelegen haben, trotzdem hilft es mir tatsächlich, mich etwas zu entspannen.
Als es anfängt zu regnen, spannen wir eilig die Plane auf unser bis dato sehr rudimentäres Lean-To und da es nicht mehr aufhört zu regnen, und auch das Material eher knapp ist, geben wir den Anspruch auf, das Dach durch Naturmaterialien zu decken. Eng aneinander gedrängt, passen wir ziemlich unbequem knapp unter die Plane, wobei die Füße teilweise herausragen. Das vorbereitete Bohrbrett liegt im Regen und auch Feuerholz haben wir nicht mehr gesammelt… Die Moral ist sehr gedämpft. Als Detlef schließlich entscheidet, zum Camp zurückzukehren, bin auch ich sehr mit mir am kämpfen. Wir beschließen, ihn zu zweit zum Camp zu begleiten, da wir sein Handy nicht entsperren und Marcel/Robin anrufen können, sodass wir auch zu zweit wieder zurücklaufen können. Einer Intuition folgend, biete ich an, mich dem Trupp anzuschließen. Auf dem Weg zum Camp lasse ich mich ein paar Schritte hinter die anderen fallen, um meine eigene Entscheidung über das Weiterführen der Evaluierung zu fällen. Ich bin frustriert über das mangelhafte Shelter, keine Aussicht auf ein wärmendes Feuer und meine Energie ist ziemlich niedrig. Ich will mich auf keinen Fall durch diese Nacht durchquälen und am Schluss mit einer negativen Erfahrung herausgehen, die mir die Lust an der Natur verdirbt. Gleichzeitig will ich aber auch nicht aufgeben und der Gedanke daran, mich in mein Zelt zu legen, fühlt sich falsch an. Ich bin innerlich ziemlich zerrieben, als wir am Camp eintreffen und als es daran geht, wieder zum Clan zurückzukehren, überkommen mich die Tränen. Ich bin sehr dankbar für den Trost und Zuspruch, den ich insbesondere von Robin bekomme, obwohl meine emotionale Reaktion gemessen an der tatsächlichen Situation eigentlich übertrieben erscheint. In dem Moment schäme ich mich ein bisschen für meine Tränen, aber im Nachhinein bin ich sehr froh, ehrlich gewesen zu sein. Auf der Suche nach einer Lösung für meinen Konflikt kam mir die Idee, im Camp um eine Decke zu bitten – im „Tausch“ gegen einen unserer mitgenommenen Gegenstände – um die Kälte etwas abzumildern. Ich bin auch hier sehr dankbar, dass die Teamer mir meinen Wunsch gewähren, der wirklich ausschlaggebend für den restlichen Verlauf der Nacht ist. Mit Decke und neuem Mut ausgestattet, kehren wir zu unserem Lagerplatz zurück. Meine Laune hat sich radikal gewandelt. Ich bin froh, für meine Bedürfnisse eingestanden zu sein. Die Nacht wird weiterhin herausfordernd werden, aber jetzt bin ich motiviert und positiv gestimmt, sie im Wald mit meinem Clan zu verbringen. Als wir zurückkommen, hat der Rest unserer Gruppe das Lean-To mit Laub im Fußbereich und einer sichereren Aufhängung der Plane verbessert und trotz des Dauerregens motivieren wir uns gegenseitig, in einer Hauruck-Aktion noch einen Versuch mit dem Feuerbohrer zu starten. Während manche an einem Sichtschutz/Wärmereflektor bauen, fertigen andere die Bestandteile des Bohrsets an und sammeln halbwegs brauchbares Feuerholz. Auch Thorsten, der mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen hat, trägt etwas bei, indem er die bereits geschnitzte Spindel durch seine Körperwärme trocknet. Es dämmert schon, als wir uns an die Arbeit machen und auch wenn wir lange versuchen – alleine, zu zweit, in verschiedenen Konstellationen – und ordentlich Rauch und Abrieb produzieren, schaffen wir es leider nicht zur Glut. Wir geben auf, als sich die Umhüllung des Paracords löst und die inneren Stränge keine Reibung mehr gegen die Spindel erzeugen. Die Mulde ist auch fast durchgebohrt und es ist ziemlich dunkel. Immerhin ist uns jetzt erst mal warm und die Aktion hat das Gruppengefühl nochmal belebt.
Wir reichen den Beutel mit Nüssen, Möhren und Äpfeln herum und genießen einen wohlverdienten Abendsnack. Dann legen wir den ungenutzten Reisig als Matratze unter dem Lean-To aus und kuscheln uns – teils unter der wundervollen Decke – zusammen. Hannah entscheidet sich nach einigen Stunden doch, die Nacht im Wald abzubrechen, weil sie ohnehin gesundheitlich nicht ganz fit ist, und wird an der Zufahrt zur Straße abgeholt, aber ich bleibe. Mit einer mitternächtlichen Sportsession, der Decke und der geteilten Körperwärme komme ich gut durch die Nacht und bekomme sogar ein bisschen Schlaf.
– 3 –
Kurz nachdem ich wach werde, beginnt der erste Vogel mit dem Morgenkonzert – ein Moment den ich so, soweit ich mich erinnern kann, noch nie bewusst erlebt habe. Langsam stimmt Vogel um Vogel ein, während ich mit kalten Füßen und einem Grinsen im Gesicht auf unserem Reisigbett liege. Nach und nach kriechen wir auf die Beine, hüpfen und laufen wieder ein bisschen Wärme in unsere Gliedmaßen und teilen uns die Reste des Proviants. Ich bin verzaubert von der Morgenstimmung, dem Nebel, dem Vogelgesang und während die anderen anfangen zu plaudern, ziehe ich mich nochmal für einen kurzen Sitzplatz zurück. Als ich zurückkomme, ist unser Shelter schon abgebaut und bevor wir aufbrechen, initiiere ich noch eine kurze Dankesrunde – für den Platz, den Morgen und alles, was uns gut durch die Nacht gebracht hat. Nach etwa einer Dreiviertelstunde Fußmarsch kommen wir gegen 9 Uhr wieder am Camp an.
Das reichhaltige Frühstück tut gut und wärmt, auch wenn ich trotz wenig Nahrung am Vortag nicht viel Hunger habe. In der Siesta lege ich mich nochmal eine Runde hin und reflektiere die Erlebnisse der Evaluierung.
Nachmittags kommen wir nach kurzer Vorbereitungszeit in den Clans zusammen und erzählen uns gegenseitig von unserer Zeit im Wald. Es ist spannend, zu hören, wie unterschiedlich die verschiedenen Gruppen die Zeit, ihre Shelter und das Miteinander gestaltet haben. Marcel wiederholt jede Geschichte in zusammengefasster, erzählerischer Form und ich bin beeindruckt, wie viele Details er sich aus den Berichten merken konnte. Robin gibt jeder Geschichte einen passenden Titel und so wird „Die Biber – eine Geschichte von Holz und Wasser“ uns für immer in Erinnerung bleiben.
Abends geben wir unsere vorbereiteten Abschiedsgeschenke, wie zu Beginn unsere Ziele, ins Feuer. Ich habe aus drei Kiefernnadelschnüren einen Kranz gewoben, der meine drei Ziele und meinen Weg in der WP symbolisiert. Er erinnert mich vor allem an die Wildniswoche, die für mich ein riesiger Meilenstein auf dem Weg gewesen ist. Dort hatte ich so richtig das Gefühl, meinen Platz in der Gemeinschaft zu finden und mich entfalten zu können. Außerdem hatte ich einige sehr intensive Naturverbindungserfahrungen – bei der Langformmeditation, beim Umherstreichen und Wildnahrung suchen, beim Baden im See … Dieses Geschenk ins Feuer zu geben, fühlt sich gut an – als würde ich damit Danke sagen für alles, was mich bis hierhin gebracht hat. Zu einem gewissen Grad habe ich meine Ziele erreicht und gleichzeitig gibt es auch bei allen noch Spielraum nach oben. Passend also zu diesem Abschluss, der für mich gleichzeitig Teil ein größerer Beginn ist. Ich habe noch mein Leben lang Zeit, die Verbindung zu mir und meiner Umgebung immer weiter zu vertiefen, mich in der Natur mehr und mehr daheim zu fühlen und meine Wildnispädagogik-Fähigkeiten zu verbessern. Das Lied, das wir bei dem Ritual singen (Immer gehen…), berührt mich sehr und spendet Trost gegen die Wehmut des Abschieds.
Erstaunlich rasch verabschiedet sich der Großteil der Gruppe in Richtung Zelte. Zuletzt sitzen nur noch Robin, Fabian und ich am Feuer und braten Bananen in der Glut. Es ist schön, aber ein bisschen schade finde ich es, diesen Abend nicht in der großen Runde ausklingen zu lassen.
– 4 –
Am letzten Morgen der WP schaffe ich es tatsächlich doch noch, einmal in der Schwärze zu baden, was richtig gut tut.
Nach dem Frühstück legen wir im Tipi unsere Journale aus und lassen uns von den Ergebnissen der anderen Teilnehmenden inspirieren. Es ist wirklich interessant, die verschiedenen Herangehensweisen und liebevoll angefertigten Aufschriebe und Zeichnungen zu sehen. Ich bin mit meinem System noch nicht ganz zufrieden. Generell finde ich lose A5-Seiten, die ich unterwegs beschrifte und dann einhefte, praktisch, aber meine Hefterstruktur lässt noch zu wünschen übrig.
Dann ist es auch schon Zeit für die Abschlussrunde. Auf dem eingezäunten Gelände abseits des Platzes kommen wir auf Schaffellen im Kreis zusammen und teilen unsere Gefühle und Gedanken zum Abschlussmodul und dem Weg der Ausbildung. Ich habe ein Abschiedslied geschrieben, das ich teile. Ich bin mega glücklich darüber, dafür jetzt das Selbstbewusstsein zu haben und noch glücklicher, dass die Gruppe im Refrain mit einstimmt und wir so noch einmal richtig zusammen kommen. Etwas traurig bin ich schon, heute noch nicht mein Zertifikat zu bekommen, aber gleichzeitig fühlt es sich auch richtig an, den Abschluss noch offen zu halten. In der anschließenden Bären-Umarmungsrunde ernte ich nochmal super viele liebe Worte und Bestärkungen und gebe mir Mühe, meine eigene Wertschätzung meinen Mitlernenden gegenüber in Worte zu fassen.
Ich bin so unendlich dankbar für diese Gruppe und die gemeinsame Zeit, aus der ich so viel an Mut, Erfahrungen, Erlebnissen und Inspiration mitnehmen kann. Ich bin dankbar für die Teamer, die ihr Wissen an uns weitergereicht und uns in unserem Lernprozess begleitet haben. Ich bin dankbar für all jene, die dieses Wissen über die Generationen und Kulturen hinweg überliefert haben. Ich bin dankbar für all die Orte, an denen wir lernen durften. Für die Tiere und Pflanzen, die Elemente der Natur, die uns Gastgeber, Lehrer und Freunde waren. Für die Sonne und den Wind, den Regen und das Feuer. Ich bin dankbar für die Verbundenheit, die alles Leben durchzieht und die ich hier, wie zuletzt als Kind, spüren durfte. In der Wildnispädagogik habe ich ein Zuhause und eine Familie gefunden, die mich mein Leben lang begleiten wird.
Der Abschied vom Wildnisplatz fällt schwer und ich zögere ihn so lange wie möglich heraus. Auch wenn ich weiß, dass ich wieder hierher kommen werde, markiert das Verlassen des Tors doch den Ende eines wichtigen Abschnitts. Schließlich fühle ich mich dann aber doch bereit, ziehe meinen Rucksack auf und mache mich auf den Weg – nicht den Heimweg, denn daheim bin ich hier genauso gewesen, nur den Weg zu einem anderen Ort…
Auf uns’rem Wege liegt ein Kreuz, es teilt sich unser Blick Unfassbar, wie das Jahr verging, es führt kein Weg zurück Die Zeit uns’res Beisammenseins sich nun dem Ende neigt
Drum lasst uns hier im Kreise steh’n, dort wo der Pfad sich zweigt
Wo der Wolf heult und die Eule fliegt Der Biber baut und das Wildschwein wühlt
werden wir uns wieder seh’n wird die Bande nie vergeh’n
Und lauf’ ich über Stock und Stein mit aufmerksamem Ohr So singen mir die Vögel unsere Geschichte vor
Sie singen von Vertrauen, Wachstum und von Achtsamkeit Von Fürsorge und Hingabe und von Geborgenheit
Wo der Wolf heult …
Der Lehren viele an der Zahl verlasse ich den Kreis
Im Herzen bleibt ihr stets bei mir, mein Mut ist der Beweis So nehmen wir ein letztes Mal uns alle bei der Hand Und ziehen mit gestärktem Mut hinaus ins weite Land
Und wo der Wolf heult und die Eule fliegt Der Biber baut und das Wildschwein wühlt werden wir uns wieder seh’n
wird die Bande nie vergeh’n
Du willst einen Veränderung in deinem Leben, hin zu mehr Bewusstsein und Natur?
Martin Reiting
Ich bin verbunden und dankbar!
Es ist schon lange ein persönliches Ziel von mir, Menschen für die Natur zu begeistern und so ein nachhaltiges Bewusstsein für die Schönheit unseres natürlichen Lebensraums zu erschaffen. Wir Menschen sind heutzutage oft gefangen im Hamsterrad unserer modernen Leistungsgesellschaft und vernachlässigen dabei jeden Bezug zu unserem Ursprung. Lange schon, hat sich hier etwas für mich grundlegend falsch angefühlt.
Eure ganzheitliche Ausbildung der Wildnispädagogik hat mir dabei geholfen, meine eigene Naturverbindung auf allen Ebenen zu vertiefen, so dass ich mich nun auch bereit fühle, als Mentor dieses selbstbewusst in die Welt zu tragen. Ein Mentor, der in der Lage ist, sowohl die nötigen Fertigkeiten zu vermitteln, wie auch die richtigen Fragen zu stellen, um so die natürliche Neugier seiner zukünftigen Mentees zu entfachen.
Innerhalb eines Jahres, lernte ich einige der spannenden Handwerkstechniken unserer Vorfahren kennen, welche Jahrtausende lang ihr Überleben sicherten – Die sogenannten Hardskills geben mir nun Sicherheit, abseits der Zivilisation. Ab jetzt bin ich in der Lage, aus Naturmaterialien eine wetterfeste Unterkunft zu bauen, ohne Hilfsmittel ein Feuer zu entzünden, und mich selbst mit Trinkwasser & wilder Nahrung zu versorgen.
Aber ich lernte auch noch viel mehr über mich selbst und meine mir gegebene Wahrnehmung. Fuchsgang, Eulenblick und Rehohren – Pirschen, Sehen, Orientieren, Hören und Fühlen, schulten meine Sinne, wie ich es nie erwartet hätte. Dank Fährtenlesen und der Vogelsprache sehe und höre ich Natur und Wildnis plötzlich überall um mich herum.
Selbst in meinem Inneren habe ich dank dieser Ausbildung mein wildes Selbst und eine damit verwurzelte, kindliche Abenteuerlust wieder neu entdeckt.
Am meisten Spaß macht es mir jetzt, wenn ich barfuß-pirschend den Wald betrete, ohne das die Vögel vor mir warnen, während ich meinen mir vertrauten Sitzplatz besuche. Nur zu gerne lasse ich mich hier an der alten Rotbuche nieder, atme bewusst und beobachte achtsam alles um mich herum. Ich spüre die Windrichtung, suche das leiseste Geräusch, oder verweile einfach nur in Dankbarkeit an einem so schönen Ort, welcher mich bei jeden Besuch Neues lehrt. Ich fühle mich hier in der Natur nicht nur einfach wohl, ich fühle mich hier so sicher wie Zuhause.
Ich danke der Wildnisschule Lupus, seinen Teamern und auch allen anderen angehenden Mentoren meiner Wildnispädagogik-Ausbildung. Ihr alle habt mich in eine wunderschöne Gemeinschaft der Naturverbundenheit aufgenommen und mir die richtigen Werkzeuge mit auf meinen zukünftigen Weg gegeben. Wildnispädagogik gehört für mich nicht nur zu den besten Antworten, auf den so oft diskutierten ökologischen Fußabdruck; Nein! – Wildnispädagogik ist gelebter Umweltschutz, und der heutzutage dringend benötigte ressourcenschonende Handabdruck des Homo Sapiens.
Eins weiß ich nun ganz sicher: Die Ausbildung war für mich erst der Anfang einer langen und dauerhaften Lernreise; und das damit verbundene Zertifikat, nur die Eintrittskarte in eine neue, viel wildere Welt.
Jeder Mensch, der sich selbst neu kennenlernen will, oder sich für den Bereich der Umweltbildung interessiert, dem lege ich diese spannende Lernreise der Wildnispädagogik ans Herz.
Modul 6: Das Wintercamp
Generell bin ich immer voller Vorfreude und Abenteuerlust angereist, und habe mich eine ganze Weile vorher schon auf das kommende Modul gefreut. Diesmal war das nicht ganz so. Das nasskalte und ekelige Wetter hatte dann doch eher zum gemütlichen Verweilen auf dem Sofa eingeladen, wo der kleine Plappermann sicher auch einen sinnvollen Zeitvertreib gefunden hätte.
Dies legte sich aber relativ schnell, als ich den Wildnisplatz betrat und den Aufbau meines Nachtlagers begann. Lediglich das schlechte Gewissen plagte mich noch etwas, weil ich mit dem Feuerbohrer nicht so geübt hatte, wie es mir ursprünglich vornahm. Dennoch fühlte ich mich während der Begrüßungsrunde weitestgehend angekommen und freute mich auf die kommenden Tage.
Am Freitag dann, als wir morgens direkt mit dem Bowdrill begannen und ich nicht richtig vorbereitet war, entschloss ich mich, mich vorerst von meiner Erwartungshaltung ans Feuerbohren zu lösen, damit mich diese nicht das komplette Modul negativ begleiten sollte. Ich sagte mir: “Du hattest in der Wildniswoche einmal Erfolg, der Rest wird zu gegebener Zeit kommen.“ So konnte ich dann auch unbeschwert in den Tag starten.
Anschließend begannen wir mit den Vorbereitungen für die Schwitzhütte, wo ich ja dann mit Franz das große Feuer hütete. Ich genoss meine gewählte Aufgabe und die daraus resultierte Position als Türwärter nicht nur, ich fühlte mich dadurch mit dem ganzen Ritual verbunden. Die Schwitzhütte und den gesamten Ablauf habt ihr ganz, ganz toll gestaltet. An dieser Stelle ein großer Dank an Franz und Christina für dieses erlebte Ritual.
Auch der Zeitpunkt im großen Jahreskreis fühlte sich für mich und meine aktuelle persönliche Entwicklung genau richtig an, so dass ich mich entschlossen darauf einließ und gefühlt direkt in einen neuen Lebensabschnitt hinein geboren wurde. So sollte es am nächsten Morgen dann auch weitergehen. Nachdem ich mich mit einer Runde Holzmachen aufgewärmt hatte, wollte ein Küchenfeuer entzündet werden, was mir die Chance gab, mit dem Bowdrill zu üben. Ich erklärte meine Absicht – mit Erfolg!
Ein dicker Glutklumpen landete kurz darauf im Zundernest und entzündete dann unser Küchenfeuer. Mein Tag begann also mit einem Erfolgserlebnis und sollte im Zeichen des Feuers stehen, passend zu eurem Tagesplan.
Wie auch in der Wildniswoche, genoss ich die Zeit im Clan sehr. Erst der Lagerbau, dann die gemeinsame Nahrungssuche und auch das Kochen in der Gruppe war eine wertvolle Zeit. Gefolgt vom Feuerhüten, wo ich mich sehr in mir selber wiedergefunden habe, in Form von ständiger Vorbereitung, Achtsamkeit und gefühlvollem Umsorgen. Am rauchfreien Scoutfeuer muss ich aber noch etwas arbeiten 🙂
So schnell verging dann die Zeit und wir waren schon wieder am letzten Tag des Moduls angekommen, welcher für mich ein perfekter, lockerer Ausklang war, mit ein wenig Theorie zum Thema rauchfreies Feuer.
Wenn ich das Wintercamp reflektiere, steht es für mich ganz eindeutig im Zeichen des Neubeginns. Nachdem ich am Freitagabend aus der Schwitzhütte neu in die Welt trat, startete ich am Montag entschlossener denn je in die neue Woche und ging meinen persönlichen Zielen nach. Heute, vier Tage nach unserer gemeinsamen Zeremonie, bin ich nun den großen Schritt in die Ungewissheit gegangen…
Lieber Marcel, ich danke dir und auch allen anderen Teilnehmern und Teamern der Wildnisschule Lupus dafür, das ihr mich in eurer Welt der Naturverbundenheit aufgenommen und unterrichtet habt, was mir zu einer starken persönlichen Entwicklung verholfen hat.
Mein komplettes Leben hat sich dadurch in jeder Form zum Positiven verändert und mich so, so sehr bestärkt, dass ich heute die Kündigung bei meinem aktuellen Arbeitgeber einreichen konnte, um so noch viel tiefer in unseren natürlichen Lebensraum einzutauchen.
Ich freue mich jetzt schon auf unser nächstes Modul und die Reise, die daraufhin erst so richtig beginnen wird. Dann auch als ein kleiner Teil der Wildnisschule Lupus, was mich unglaublich stolz, aber auch sehr demütig macht.
Hannah Menton
Modul 1: Das Fundament
Die Sonne steht tief und lässt den Weg durch die Douglasien wie ein strahlendes Tor zu einem neuen Lebensabschnitt erscheinen. Ich bin aufgeregt, gespannt, freudig, unsicher, hellwach und leicht. Das Kennenlernen der vielen Menschen strengt mich anfangs an und ich bin froh schon ein paar Gesichter zu kennen. Aber es soll nicht lange dauern, bis ich mich wohl fühle und die anfängliche Oberflächlichkeit schwindet. Schneller als gedacht kann ich vom Außen ins Innen und mich im Innern mit den anderen verbinden. Gemeinschaft, das hat uns vermutlich allen sehr gefehlt in letzter Zeit. Um so schöner ist es, diesen Schutzraum hier zu haben.
„Freunde, die im Kindersinne Freunde waren, weil sie sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort befanden“ fällt mir dazu aus ‚Dem Café am Rande der Welt‘ ein.
Ich bin eher eine Einzelgängerin und mag es, eine ausgewählte Handvoll Menschen um mich herum zu haben. Ich gehe gerne meinen eigenen Weg, folge meinen eigenen Gedanken und finde meine eigenen Lösungen. Aber das funktioniert nicht immer oder ist nicht immer die bessere Idee.
Doch deshalb genieße ich am Anfang besonders die Zeit auf dem Sitzplatz. Nur ich inmitten des Waldes. Um mich herum Bäume, große alte Bäume, die schon seit Jahrhunderten hier stehen. Dazwischen junge kleine Bäume, das Laub auf dem Boden, der Wind in den Nadeln der Kiefern, ein paar Vögel, die sich mir nähern möchten. Ich mag es, wenn andere zu mir kommen und ich nicht auf sie zugehe. So auch hier draußen. Ich mag es zu warten und jede Begegnung anzunehmen.
Als Marcel im Tipi erzählt, dass ein großer Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit besteht, wird mir etwas klar: Ich fühle mich draußen nie einsam. Obwohl ich meistens allein unterwegs bin, bin ich nicht allein. Inmitten von all dem Lebendigen um mich herum fühle ich mich warm gebettet in ein Netz aus vielen kleinen und großen Verbindungen. Ohne zu wissen wer da ist, bin ich mit ihnen da. Als mir das klar wird, durchfährt mich ein Gefühl von Glück. Von Geborgenheit. Zuhause.
Vielleicht habe ich deshalb nach keinem Ort der Erde bisher Heimweh gehabt. Weil ich raus gegangen bin, dorthin wo ich nie allein bin. Wo ich Geborgenheit spüre. Einsam fühle ich mich nur in meinen vier Wänden, also dem was ich sonst „Zuhause“ nenne. Aber das ist es nicht.
Die Rituale in der Gemeinschaft tun mir gut. Ich merke, dass ich in meinem Leben nur wenig Kontakt hiermit hatte. Erst hatte ich keinen Zugang, dann fiel es mir schwer und die Gelegenheiten fehlten. Aber hier kann ich mich gut darauf einlassen. Es fühlt sich sehr frei, ungezwungen und authentisch an. Das mag ich.
Die Kälte fordert mich heraus, aber in einem positiven Sinne. Sie macht mich neugierig herauszufinden, was ich tun kann, um gut zu schlafen. Und so reizt es mich jeden Tag etwas Neues auszuprobieren und die Entwicklung über die drei Nächte zu beobachten. Mit dem Ergebnis in Nacht 3 bin ich auch ganz zufrieden.
Die Tage sind fliegend schnell vorbei gegangen und es fühlte sich alles in allem total rund und stimmig an. Die ganzen Wahrnehmungsspiele wie Baum-Tasten, stummes Lehren, Schleichen, Trommellauf und das Zeichnen mit dem inneren Auge waren richtig schöne Übungen. Ich fühle mich begabt, dass ich all diese tollen Sinne habe und sie so wunderbar funktionieren.
Ich freue mich auf mehr Geschichten am Feuer, da besonders der abendliche Input von Marcel und Franz sehr inspirierend für mich war. Und ich freue mich auf mehr Überraschungen über mich selbst, die Wärme des Feuers und der Gemeinschaft!
Vielen Dank Marcel für diesen wunderbaren Start.
Hannah
Modul 2: Wildnis im Detail
Die letzten Tage vor dem Modul haben mich stark gefordert. Die Vorstellung, das ganze Wochenende „nichts tun“ zu können, stresste mich zusätzlich. Genau so unruhig wie mein Kopf war auch das Wetter: Sturm, Hagel, Regen. Es ist schon fast Abend, als sich plötzlich der Himmel öffnet und mich die tiefstehende Sonne nach draußen ruft. Als ich am Platz ankomme, fühlt es sich an, als würde eine Last von mir abfallen. Als würde mich dieser Ort umarmen, trösten und sagen „Alles ist gut. Lass dir Zeit. Ich kümmere mich um alles.“ Zurück zu Mutter Erde.
Das Wiedersehen fühlt sich sehr schön an, ich bin froh, dass ich direkt ein vertrautes Gefühl habe und ich mich auch gut fühle, mir Raum für mich zu nehmen. Ich bin beeindruckt von der wertschätzenden und rücksichtsvollen Art, die ich bei allen hier spüre. So viele Menschen auf einem Haufen, die alle mit Liebe erfüllt kommunizieren. Das ist schon sehr besonders. Überrascht von dem Gefühl, dass die Gemeinschaft für das Wohlbefinden bei mir sorgt. Bin ich vielleicht gar nicht die Einzelgängerin, die ich dachte, dass ich sie sei? Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
Das Wochenende fährt mich innerlich richtig runter. Ich muss gar nichts. Ich darf einfach sein. Mich ganz auf das fokussieren, was ich gerade tue. Nicht darüber nachdenken, was noch getan werden muss. Im Hier und Jetzt. Schon oft gehört, aber selten gelebt. Das wünsche ich mir für meinen Alltag. Am Feuer sagt Detlef: „Wir haben für alles gleich viel Zeit. Wir setzen die Prioritäten.“ Ich werde mir meine Zeit anders einteilen. Mehr Raum für das, was mich erfüllt.
Das Wetter ist wunderbar. Ich denke „es ist mir einfach egal“. Es braucht keiner Bewertung. Das Wetter ist einfach so wie es ist. Und es ist so unbeständig, dass es sich nicht einmal lohnt, die Wetterapp zu checken. Das Wetter ist einfach. Ich bin glücklich, das so wahrzunehmen.
„Ich gehe Richtung“ – danke Marcel, für die Inspiration. Das gefällt mir sehr gut. Und danke an mein Grundvertrauen in die Welt, dass ich immer weiß, dass alles richtig ist.
Beim Morgensport fühle ich mich schwach. Meine Lunge hat sich noch nicht von der Corona-Infektion erholt. Schwäche. Vielleicht noch schlimmer die Angst vor ihr. Sie überrollt mich. Warum will ich immer um jeden Preis stark sein, dafür sogar Verluste eingehen? Im Zweiergespräch bzw. bei uns zu dritt finde ich einen geschützten Raum, um mich zumindest ein bisschen mitzuteilen. Das tut gut.
Die Aufgaben im Clan machen Spaß und ich genieße die bunte Truppe. Die Laubhütte hat uns zusammengeschweißt und wir waren sehr glücklich mit dem Ergebnis. Ich freue mich auf einen baldigen Austausch mit meinem Clan über das Modul und über unsere Teamarbeit. Ein paar Kleinigkeiten können wir da noch verbessern.
Am letzten Abend sitze ich noch lange am kleinen Küchenfeuer in einer überschaubaren Runde. Die tiefen und ehrlichen Gespräche erfüllen mein Herz. Ich bin froh, auch im Alltag Menschen um mich herum zu haben, mit denen ich das leben kann. Janinas Worte in der Abschlussrunde berühren mich. Sie sagt, dass sie beeindruckt ist, dass so junge Menschen, insbesondere Frauen, dabei sind, die eben diese Art zu kommunizieren (und auch zu denken) schon gelernt haben, macht sie hoffnungsvoll für die Zukunft. Sie wäre froh gewesen, so früh auf diesem Weg zu sein.
In der Abschiedsrunde werden drei Eier eines Amselpaares herumgegeben, welches wir beim Aufbau unserer Zelte und Tarps verscheucht haben. Die Runde ist bedrückt, einige fühlen sich schuldig. Es zerreißt mir das Herz, zu wissen, dass die Eltern ihre Babys verloren haben. Und gleichzeitig weiß ich, dass der Tod zum Leben dazu gehört und bin sicher, dass kein Lebewesen sonst diesen als etwas Schlechtes wertet.
Für alle ist es ein einprägsames Erlebnis, zu sehen, wie wir für das Leben anderer verantwortlich sind. Wir bringen die Eier in den Wald, damit sich jemand über Nahrung freuen kann. Das fühlt sich richtig an. Einige haben jetzt das Gefühl, hier sehr in die Natur eingegriffen zu haben: Vögel beim Brüten gestört, beim Laubhüttenbau den Lebensraum vieler Kleinstlebewesen zerstört, Holz verfeuert usw…
Hier wird mir wieder klar: Der Mensch ist nicht dafür gemacht, global zu denken. Der Mensch versteht die Konsequenzen seines Handelns nur dann, wenn er sie unmittelbar erlebt. Was wir an dem Wochenende hier draußen an Ressourcen verbraucht, Lebensräumen gestört und auch an Leben genommen haben, ist ein Bruchteil dessen, was wir im Alltag tun. Doch dort sehen wir es nicht. Ich hoffe, dass das alle mit nach Hause nehmen und auch in der abstrakten Lebenswelt achtsamer mit ihrer Umwelt umgehen werden.
Das Glutbrennen dauert lange. Doch wie lange der Baum gebraucht hat, um dieses Holz wachsen zu lassen, dauerte noch so viel länger. Ich danke Holger, dass er diesen Gedanken mit uns geteilt hat.
Mir hat etwas der spirituelle oder zeremonielle Input von Franz gefehlt, den ich hoffe in Modulen mit weniger Fokus auf Handwerk wiederzufinden. Auch über mehr Geschichten von Marcel abends am Feuer würde ich mich sehr freuen.
Etwas, das ich mir fürs nächste Mal wünsche: einen Raben/Krähen/Graureiherruf am Morgen nach dem Sitzplatz, so dass ich keine Uhr/ kein Handy mitnehmen muss. Entweder der Ruf wurde nicht wiederholt und bis zu mir getragen, oder es gab keinen, da bin ich nicht sicher. Das werde ich beim nächsten Mal aber auch noch unter den Wildlingen ansprechen.
Ich merke, dass die beiden Module in mir fruchten, dass da etwas im Gange ist und etwas Wunderbares in mir gedeiht.
Vielen, vielen Dank Robin, Janina und insbesondere dir, Marcel.
Modul 4: Die Wildniswoche
Sinneswandel.
Umsonst & draußen. Das was sich die letzten Wochen angefühlt hat wie eine Pflichtveranstaltung, fühlte sich jetzt so wohlig und richtig an. Franz gab uns zu Beginn die Anregung, alles, was diese Woche keinen Platz in unserem Kopf hat, in eine Kiste zu packen. Das half mir sehr. Überhaupt freute ich mich sehr, dass Franz wieder dabei war, da mich seine Geschichten und sein Wissen bisher sehr neugierig gemacht haben. Vielleicht weil seine Inhalte für mich am unbekanntesten sind.
Der Platz war viel wilder als ich es erwartet hatte, gleichzeitig waren überall Spuren von jahrelanger Benutzung. Irgendetwas fühlte sich hier komisch an und so dauerte es eine Weile, bis wir als Clan einen passenden Platz gefunden hatten. Wir hatten in der Woche nicht viel Zeit, um uns so richtig einzurichten und uns Unterkünfte aus Naturmaterialien zu bauen. Das wäre nur gegangen, wenn wir etwas anderes vom Plan gestrichen hätten. Ich denke, die meisten hätten gerne mehr Zeit für diese Tätigkeit bekommen.
Die Zeit, die wir als Clan an unserem Platz verbrachten, war dafür sehr schön. Aber auch die großen Kreise, besonders am Abend, waren diese Woche sehr wärmend und nährend. Anfangs fiel es mir schwer, mich auf all die Menschen einzulassen. Mein Kopf war ziemlich voll mit Sorgen rund um meine große Familie und ich wusste, dass ich direkt nach dem Modul nach Hause fahren würde. Mein Bedürfnis nach Rückzug war oft größer als das nach Gemeinschaft. Meistens kann ich das gut akzeptieren und mir den Raum für mich nehmen. Als wir einen Frauenkreis eröffneten, fand ich auch hier einen Rückzug, den ich in der großen Gruppe so nicht erleben kann (und das ist auch okay so). Daher schätze ich diese neue Möglichkeit als gute Ergänzung zu den großen Redekreisen, genauso wie die Zweiergespräche.
Wenn das Thema Männer und Frauen Teil der Ausbildung werden soll, denke ich, dass es in einem festen Rahmen gut Platz finden kann. Am besten mit einer Frau als Teamerin (vielleicht kann Janina sich das vorstellen?).
Es gab viele Momente, die mich überrascht haben. Momente, in denen ich mich überrascht habe.
Nachhaltig beeindruckt hat mich das Müll-Sammel-Ritual. Der Effekt war so stark zu spüren, dass ich keine Zweifel an der Wirksamkeit des Rituals hatte, trotz meiner Esoterik-Skepsis.
Ebenfalls eindrucksvoll war auch das blinde Geradeaus-Laufen in der Nacht. Ich hatte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, und es hat mir große Freude gemacht, die anderen umherirrenden Gestalten zu beobachten.
Maurice´ Geschichte mit dem Knopfbock hat mir sehr gut gefallen, auch das kam irgendwie sehr unerwartet für mich.
Am wenigsten habe ich jedoch mit einer Pflanzenbegegnung gerechnet, wie ich sie erlebt habe. Es fällt mir schwer, nicht logisch-rational zu denken. Darum hielt ich die Aufgabe für mich unmöglich. Aber vielleicht ist eine Unterhaltung mit Pflanzen ja doch etwas ganz Rational-Logisches? Vielleicht das Natürlichste und Selbstverständlichste überhaupt? Ich denke, dass mich die Übermüdung, und damit einhergehend die etwas eingeschränkte rechte Gehirnhälfte, bekräftigt hat, mich auf die Situation einzulassen. Nicht zu viel nachdenken, einfach machen.
Ich bin sicher, ich werde es nie vergessen. Die zarteiserne Lichtbäumin hat mich etwas gelehrt und ich weiß sie nun als alte Bekannte in Erinnerung. Ein bisschen Angst macht es mir jedoch schon, das wieder auszuprobieren. Was, wenn es nicht klappt? Bin ich dann enttäuscht? Und was, wenn es klappt? Werde ich dann verrückt?
Der Schnurparcours hat sich ebenfalls als höchst persönliche Angelegenheit entpuppt. Herz und Herzraum spüren. Blind dem Seil folgen durch den Wald, in dem wir schon fast eine Woche wohnen. Ich konnte nur wenige Pflanzen mit den Händen bestimmen, viel weniger als mit den Augen. Abblätternde Borkenteile der Kiefer sind recht eindeutig. Oder die Handform der Bergahrornblätter, die ich durch das Auflegen meiner Handfläche auf das Blatt überprüfe. Oder die Feingliedrigkeit des Farns. Es strengte mich an, alles abzutasten und nichts zu sehen. Irgendwann knickte ich ein paar Zweige ab. Reisig. Ein Lächeln breitete sich über meinem Gesicht aus. Ich weiß doch, wie sich Fichtenzweige anfühlen, dachte ich. Ich dachte an den Schwarzwald, wie ich mich durch die dichtesten Dickungen geschlagen habe. Aber ich war mir nicht sicher, da ich in der ganzen Zeit hier im Wald noch nicht eine einzige Fichte gesehen hatte. Ich kletterte also weiter am Seil entlang durchs Unterholz, bis mich irgendwann etwas in die Hand stach. Freude. Die Fichtennadel stach direkt in mein Herz. So fühlte es sich an. Als ich den Fichtenzweig in die Hand nahm, überkam mich ein Schwall Tränen. Die Freude wurde zu Traurigkeit aus tiefstem Herzen. Woher genau, das wusste ich nicht. Da lief ich seit einer Woche durch den Wald und sah nicht eine einzige Fichte. Und dann habe ich einmal die Augen zu, Blick nach innen. Herz und Herzraum spüren, das geht nicht mit den Augen.
Viele Sorgen kamen in mir hoch, doch das war genau richtig so. Ich bin sehr dankbar für dieses ehrliche Erlebnis. Und ich bin überrascht, wie sehr ich mich mit der Fichte verbunden fühle, fast als wäre sie ein Teil Zuhause, ein Teil der Familie. Das fühlt sich sehr schön an.
Wir bekommen in der Woche noch Input zum pädagogischen Arbeiten und ich habe große Lust, mich auszuprobieren. Vor allem die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit ihren Herausforderungen interessiert mich sehr. Ich merke wieder, wie sehr mich die Wildnispädagogik bestätigt, und wünsche mir, dass ich ihr in meinem Alltag mehr Raum geben kann. In den nächsten Monaten arbeite ich genau darauf hin.
Vielen Dank Marcel, Robin und Franz – das war wiedermal eine rundum gelungene Zeit im Wald!
Modul 6: Das Wintercamp
Vor diesem Modul hatte ich den größten Respekt, einfach aufgrund der Kälte. Doch zum Glück konnte ich mich schon beim 1. Modul der WP mit dem Thema Kälte auseinandersetzen, ja vielleicht sogar anfreunden. Dadurch wusste ich, dass ich damit zurechtkommen würde.
Zum ersten Mal komme ich wirklich entspannt und unbeschwert an unserem Platz an. Es ist schön, eine der ersten zu sein und ich suche mir einen relativ frostfreien Platz im Schutz einer Weymouth-Kiefer.
Obwohl ich (fast) alle im August das letzte Mal gesehen habe, fühlt es sich so vertraut an, so als könnten wir einfach dort anknüpfen, wo wir aufgehört haben. Direkt packen alle mit an, jede*r bringt sich ein und das wird auch das gesamte Wochenende so weitergehen, ohne groß Gebrauch von der Orga-Scheibe zu machen. Ich erwische mich dabei, wie ich mich ärgere, dass immer die gleichen Leute die Küche am Laufen halten, doch merke dann, wie viele andere Aufgaben ohne mein Zutun „wie von selbst“ erfüllt werden. Wie wichtig Perspektivenwechsel sind.
Die Willkommensrunde hat das Gefühl der Verbindung bestätigt. Ich bin sehr dankbar, für Marcels ehrlichen Einstieg, der alle anderen eingeladen hat, sich gleichermaßen zu öffnen. Solche Gesprächsrunden zu erleben, gibt mir Zuversicht für den gesellschaftlichen Wandel, den ich mir wünsche, der sich aber oft so unerreichbar anfühlt.
Der Besuch von Christina war sehr wertvoll und ich hoffe, dass sie auch bei den zukünftigen WP’s als Teamerin (zumindest für den Schwitzhütten-Part) eingeladen werden kann. Ich mochte Franz` Gedanken zum Thema Wünsche für andere sehr. Wir dürfen uns gerne etwas für andere während der Zeremonie wünschen, jedoch sollen wir nicht denken, dass wir wüssten, was für die andere Person das Richtige wäre. Wir wissen nicht, was andere brauchen oder was gut für sie ist. Also wünschen wir der Person Gesundheit und Glück. Das umfasst alles und die Geister werden das Richtige daraus heraussuchen.
Auf dem Medizingang erkunde ich pirschend die Fischteiche Richtung Spechthausen. Ich beobachte direkt neben mir zwei Goldhähnchen im Unterholz. Der Natur so nah zu sein erfüllt mich sehr. So aufmerksam und konzentriert durch den Wald zu laufen ist wie meditieren. Die Wolken geben die Sicht auf einen zur Stimmung passenden Sonnenuntergang frei. Mit der Dunkelheit trete ich den Heimweg an und komme zurück zum großen Feuer vor der Schwitzhütte.
Wir passen gerade so alle hinein. Als Franz die ersten Steine empfängt und sich für die Großväter der Himmelsrichtungen bedankt, fliegen Schwäne über uns vorbei. Wie passend zum Großvater des Südens, aus dem Land der Schwäne. Synchronizität.
Die Zeremonie fließt und ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, teilzunehmen. Ich bin nicht ganz losgelöst, irgendwie ist es dafür zu eng, aber das ist okay. Ich denke, mir hätte eine etwas längere Einleitung der Zermonie geholfen, mich besser auf den Hauptteil einlassen zu können.
Die Morgen sind voller Muße und Ruhe, das genieße ich sehr. Das Frühstück vorzubereiten ist ein wunderbarer Start in den Tag. Ich freue mich, dass wir als Clan eines der Nachbargrundstücke erkunden dürfen und fast den ganzen Tag dort als Clan zu verbringen. Insgesamt nehme ich die Stimmung als sehr ausgeglichen wahr. Mir gefällt wieder mal die Unterschiedlichkeit der Leute zu spüren und gleichzeitig so eine gute Gemeinschaft zu sein.
Mein Highlight zwischendurch: das Sockenspiel!!!
Auch das Abendessen am Feuer ist entspannt, wir bereiten unser Gemüse gemeinsam zu und probieren uns durch die verschiedenen Pflanzen und Garstufen durch. So intensiv haben wir die einzelnen Pflanzen selten geschmeckt! Dann geht es zurück zum Camp. Ich versuche zu schlafen, was mir schwerfällt, aus Angst zu verschlafen. Um drei Uhr gehe ich dann zu unserem Clanplatz und löse Martin vom Feuerhüten ab. Es dauert ein bisschen, bis das Feuer und ich uns eingegroovt haben. Ist es zu klein, geht es ständig aus und raucht zu viel. Ist es zu groß, ist es zu hell und verbraucht zu viel Holz. Wobei wir mehr als genug Holz gesammelt haben. Irgendwann läuft es ganz gut mit uns beiden und dann fängt es sogar an zu schneien. Irgendwann raschelt es leise und ich bekomme Angst. Das kenne ich nicht von mir. Ich sehe nur das Feuer und den kleinen Lichtkegel, sonst Dunkelheit. Es könnte nur ein kleines Tier sein und dennoch macht mir die Ungewissheit Angst. Spannend zu sehen.
Die zwei Stunden am Feuer verfliegen geradezu und ich hoffe heimlich, dass Fabi verschläft und ich länger bleiben kann. Doch zum Glück kann ich, zurück im Zelt, nochmal schlafen.
Als ich am Morgen aufwache, sitzt ein Rotkehlchen direkt unter meinem Zelteingang und guckt mich schräg an. Ich gucke schräg zurück und es fliegt wieder hinaus.
Ein letztes gemütliches Frühstück und ein letzter großer Redekreis. Ein paar Gedanken der anderen bleiben hängen.
- Die Fragilität des Menschen. Wie klein unsere Toleranz gegenüber Temperaturen ist, wie schnell uns zu kalt und wie schnell uns zu heiß ist.
- Dass uns noch deutlicher sein sollte, wie wichtig es ist, das Klima, in dem wir es gerade so aushalten, zu schützen.
- Man kann sich nur mit sich selbst vergleichen.
- Das kleine Holz symbolisiert kleine Schritte. Zu große Holzstücke funktionieren nicht.
- Das Feuer bescheint nur den einen Quadratmeter um uns herum. Wir müssen unsere Perspektive erweitern. Die Welt ist groß!
Ich will gar nicht gehen, fühle mich sehr wohl hier. Also bleibe ich bis zum Schluss und nutze das Aufräumen zum Abschied nehmen.
Ich freue mich schon sehr auf das letzte gemeinsame Modul!
Vielen Dank besonders dir, Marcel, und auch Franz und Christina.
Abschlussmodul: Prüfe dich selbst
Die Tage vor dem Modul waren vollgepackt und dementsprechend anstrengend für mich. Viel Tumult bei Freunden und Familie, mein Kopf voller Gedanken. Und wie immer, wenn es mir zu viel wird, wird mein Körper schwach und ich bekomme Halsschmerzen. Wenn ich dann nicht aufpasse, Mandelentzündung. Ich schwanke zwischen „Ich will auf keinen Fall krank werden“ und „Ich will auf jeden Fall zum Abschlussmodul“, da ich weiß, wie erholsam und heilend das für mich sein wird.
Ich ruhe mich den Donnerstagvormittag aus, obwohl ich eigentlich total gerne zur Platz-Aufräum-Aktion gekommen wäre. Der Gedanke, dem Platz etwas zurück zu geben und für die neue Saison zu wappnen, fühlt sich sehr schön an.
Nach dem Gewitter fühle ich mich bereit und breche auf. Auf dem Weg werde ich mehrfach schräg angeguckt, von wegen was ich bei diesem Wetter mit Campingsachen auf dem Fahrrad unterwegs bin.
Ich genieße das ruhige, langsame Ankommen sehr, baue in Ruhe mein Lager bei meinen Bibern auf. Als Laila am Abend ihr 1. Bow-Drill-Feuer schafft, freue ich mich riiiiiesig für sie mit! Irgendwann werde ich es auch schaffen.
Der Moment, als gerade alle vor dem strömenden Regen ins Tipi geflüchtet sind und es schlagartig aufhörte, war sehr besonders. Bei dem Redekreis am Abend bin ich zwar sehr müde, aber höre gerne den Geschichten zu, wie es den anderen geht und was sie erlebt haben.
Die Aufgabe am Freitag bestätigt meine Vermutung: 24h im Clan im Wald, 2 Ausrüstungsgegenstände pro Person. Wir entscheiden uns für: 1 Plane, 2x Messer, 3x Trinkflaschen (damit sich niemand bei Martin und mir ansteckt), Notfall-Handy, Erste-Hilfe-Set, 1 Beutel mit Äpfeln, Möhren und Nüssen, 1 Wasserfilter und 1 Rucksack.
Dann wandern wir los, eine ganze Weile lang. Es dauert, bis wir den richtigen Platz für die Nacht finden, so lange, dass wir nur noch wenig Zeit zum Bauen haben bis der erste Regen kommt. Und der will auch gar nicht mehr aufhören. Ich bin kraftlos, aber gut drauf. Ich werde mich nicht zwingen, die Nacht draußen zu bleiben, denn wenn ich etwas über meinen Körper gelernt habe, dann dass ich wirklich auf ihn hören sollte. Wir bauen unser Lean-To in der Nähe vom Nonnenfließ hinter einem Fichtendickicht. Dort, wo die Wildschweine wohnen. Als wir gerade das Grundgerüst fertig haben und Detlef mir seinen entasteten Fichtenstamm geben will, sagt er: „Für ein 4-Sterne-Hotel reicht es nicht.“ „Ne, also das wird nichts mehr…“, und während ich antworte, kracht das ganze Lean-To zusammen. Thorsten lacht laut und herzlich, bestimmt drei Minuten lang auf dem Boden liegend. Wir können es alle mit Humor nehmen und fangen von vorne an.
Es ist ganz schön eng geworden, merken wir, als wir alle 6 in Löffelchen-Stellung krampfhaft versuchen uns vor dem Regen unter dem Dach zu verstecken. „Hoffentlich kommt jetzt kein Jäger vorbei“, sagt Detlef. Und wieder amüsieren wir uns über unsere Lage.
Dass diese Nacht anstrengend werden würde, ist spätestens jetzt allen klar. Detlef entscheidet sich, zurückzugehen. Ich frage ihn, ob es etwas gibt, das wir tun können, damit es für ihn passt, möchte nicht, dass jemand „zurückgelassen“ wird und bekomme das Gefühl, es als Clan nicht geschafft zu haben. Sein Entschluss steht fest, also überlegen wir, wie wir die Situation am besten lösen.
Laila und ich begleiten ihn zurück, so dass niemand den Weg (45min) alleine gehen muss, zumal sich Detlef hier gar nicht auskennt.
Dass wir ein Handy dabei hatten, welches wir nicht entsperren konnten, ist auf jeden Fall eine gute Lektion gewesen. Es hat einfach niemand dran gedacht, dass man die PIN für die SIM braucht, wenn das Handy ausgeschaltet wird. Und die hatte Detlef nicht dabei.
Zurück am Basis-Camp entscheidet sich Laila eine Decke mitzunehmen – wie wir später noch merken, eine seeehr gute Idee. Und dann geht’s wieder zurück zu den Bibern. Wir überreden die anderen noch eine Hau-Ruck-Aktion für ein Feuer zu starten. Feuerholz sammeln, Reflektor und Bow-Drill-Set bauen, Feuerstelle vorbereiten – wir schaffen es in Windeseile. Thorsten fällt aus, da es ihm plötzlich gar nicht gut geht. Er will es aber durchziehen.
Es ist schon fast dunkel, als Fabi, Martin, Laila und ich alles geben und gemeinsam versuchen mit dem Feuerbohrer Wärme und Licht in unser Lager zu bringen. Doch es will einfach nicht klappen, obwohl wir wirklich kurz davor waren. Wir entscheiden uns, das Feuerholz zu Matratzen umzufunktionieren, nicht gerade gemütlich, aber etwas mehr Isolation von unten. Ich entscheide mich, noch mit den anderen zu essen und hier einzuschlafen. Das klappt auch erstaunlich gut, wahrscheinlich bin ich müde genug. Wir hatten ein langes Holzbrett als gemeinsames Kopfkissen und jedes Mal, wenn sich jemand bewegt hat oder aufgestanden ist, hat es ordentlich gerüttelt am Schädel – das sollten wir nächstes Mal anders bauen.
Irgendwann wache ich auf und merke, wie kalt meine Beine und Füße sind. Ich döse noch eine Weile, bis ich beschließe aufzustehen und mich zu bewegen. Dann treffe ich eine Entscheidung: Wenn es vor 3 Uhr ist, halte ich die Nacht so nicht aus bzw. habe Angst, dass ich meinen Körper damit völlig überstrapaziere. Wenn es nach 3 Uhr ist, bleibe ich, da ich den Rest der Nacht mit etwas Bewegung und einer weiteren Schlafphase sicher gut rumbringe. Doch es ist gerade mal halb eins und ich beschließe, zurückzugehen.
Ich kenne den Weg gut genug, so dass ich mit einem guten Gefühl allein gehen kann. Marcel bietet mir an, dass er mir in Spechthausen entgegenkommt, also nehme ich das Angebot an und verabschiede mich von den anderen. Beim Laufen wird mir wieder warm. Robin holt mich mit dem Auto ab, das überrascht mich etwas. Zurück im Camp sitze ich noch eine ganze Weile am Feuer, bis ich müde ins Zelt falle.
Es war für mich die richtige Entscheidung, denn ich hatte das Gefühl, alles mitgenommen zu haben was ging, und trotzdem auf mich gehört habe.
Der Samstag startet ganz entspannt, das passt sehr gut zu meinem Energielevel. Die meisten anderen sind auch sehr k.o. von der Nacht. Am Mittag merke ich langsam wieder meinen Hals und meine Muskeln, ein latenter Anflug von Sorge. Ich rede meinem Körper gut zu und habe das Gefühl, es hilft. Die Erzählungen der Nacht waren total schön, vor allem auch durch Marcels Geschichten, die er daraus gemacht hat. Die Biber, eine Geschichte von Wasser und Holz.
Die Laubhütte abzubauen fiel uns schwer – war sie doch ein echtes Prachtexemplar und hat uns fast allen eine erste Laubhüttenübernachtung ermöglicht! Ich werde es jedenfalls nie vergessen! Ein paar Mäuse fliehen, als wir das Laub verteilen, also beschließen wir, einen kleinen Haufen als Rückzugsort übrig zu lassen.
Das Abendessen ist (wie eigentlich fast immer, aber heute besonders) ein Festmahl. Danach am großen Feuer das Geschenke-Ritual. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir es verbrennen würden. Aber vielleicht war das auch genau gut so! Denn irgendwie fühlte sich diese Überraschung genau richtig an. Eine gute Übung des Loslassens und des selbstlosen Gebens. Ein wahres Geschenk eben. Das Lied so passend mit Blick in die Zukunft.
Die letzte große Runde am Sonntag werde ich ebenfalls nie vergessen. Viele Gänsehautmomente, tiefe Verbundenheit.
„Es ist so einfach, ja fast demütigend einfach, sich verbunden zu fühlen, wenn man aufhört, sich um sich selbst zu kreisen“, sagt Teresa.
Wie werde ich diese Runde, diese Menschen, diese Verbundenheit vermissen!
Eine ganz besondere Zeit, die mich voller Demut und Dankbarkeit zurücklässt. Eine Ehre, ein Teil davon gewesen zu sein.
Ich bin gespannt, wie es wird, das letzte Modul mit einer anderen Gruppe zu machen. Lieber Marcel, lieber Robin, ihr macht das wirklich richtig toll!! Danke euch vielmals!
Melanie Strangmann
Modul 1: Das Fundament
Ich war bereits drei Wochen zuvor wahnsinnig aufgeregt. So sehr, dass ich die Nerven meiner Freundin in der Zeit sehr strapaziert habe. Vor lauter Aufregung habe ich auch viel zu viel eingepackt, was dazu führte, dass ich mir auf dem Weg zum Camp echt einen „Wolf“ geschleppt habe.
Die Aufregung ließ durch den herzlichen Empfang aber sehr schnell nach. Außerdem beruhigte es mich ungemein, dass alle Teilnehmer das Gleiche vorhatten und wir uns auf dem gleichen Pfad bewegten.
Rückblickend empfinde ich die Tage als eine perfekte Mischung aus Ritualen (Redestab, Räuchern, Feuerritual), Musizieren, Handwerk, Fitness, Spielen, Eintauchen in die Welt der Natur und immer wieder die Intensivierung meiner Wahrnehmung.
Die Gruppen-, Clan- und Zweiergespräche haben mein Selbstbewusstsein gestärkt. Der Austausch tat mir gut und ich hatte das Gefühl, dass jeder in der Gruppe gut so ist, wie er ist. Trotzdem denke ich noch an die Redestabrunde im Tipi, bei der ich den Redestab direkt an meinen Nachbarn weitergegeben habe, ohne etwas zu sagen. Das fiel mir sehr schwer, obwohl ich in dem Moment nichts teilen wollte. An der Stelle merke ich, dass alleine die Möglichkeit von Ablehnung bei mir zu großem Unbehagen führt, auch wenn das in der Gruppe gar nicht der Fall war.
Die größte Herausforderung war die erste Nacht, in der ich so sehr gefroren habe, dass ich die ganze Nacht wach lag. Für die zweite Nacht habe ich gelernt, dass man nicht durchgefroren in den Schlafsack kriechen sollte. Nach einem kurzen Aufwärmen durch Bewegung konnte ich in der zweiten Nacht sehr viel besser schlafen.
Die dritte Nacht im Wald war für mich am schönsten, denn dort habe ich mich, entgegen meiner Erwartung, sehr wohl, geborgen und unendlich frei gefühlt.
Bei allen Dingen, die wir als Gruppe gemacht haben, hat mich vor allem die Aufmerksamkeit, die Hilfsbereitschaft, der Zusammenhalt und die Toleranz am meisten beeindruckt. Keine
Selbstverständlichkeit in einer so großen Gruppe.
Folgende Erkenntnisse sind aus diesem ersten Modul entstanden:
- Meine Entscheidung, die Ausbildung zu machen, war die beste Entscheidung der letzten Jahre.
- Ich habe seit langer Zeit das erste Mal das Gefühl: Ich bin glücklich und mein Leben hat wieder einen Sinn.
- Ich bin motiviert, neugierig, ich möchte mehr wissen und ich freue mich täglich auf die Übungen.
- Eine weitere grundlegende Veränderung in mir ist der Wunsch, meine Begeisterung für die Natur mit anderen zu teilen und vor allem auch weiterzugeben.
- Vor Menschen zu sprechen war mir bisher ein Gräuel. Jetzt brenne ich darauf, möglichst schnell so viel wie möglich zu lernen und meine Ängste zu überwinden, um es dann auch an andere weitergeben zu können.
Dieses erste Modul hat bei mir ein neues Feuer entfacht und ich bin darüber unendlich glücklich! Ich fühle mich ein Stück mehr verwurzelt und mit der Natur verbunden, obwohl ich noch so wenig weiß. In den letzten Tagen hier bei mir Zuhause merke ich, wie sich mein Blick bereits verändert, geweitet hat. Auf meinem Sitzplatz nimmt die Natur mich auf und ich bin kein Störfaktor mehr. Tiere kommen näher und ich fühle eine tiefere Verbundenheit.
Meine langjährige Routine, im Stechschritt durch meinen Tag zu rennen, ist einer Entschleunigung gewichen. Ich bewege mich langsam, bleibe oft stehen und betrachte sehr genau die kleinen Dinge, die meinen Weg kreuzen. Mein Fokus und meine Sinne sind geschärfter und ich freue mich darauf, wie sich meine Wahrnehmung noch weiter verändern wird.
ICH BIN AUF MEINEM WEG
Lieber Marcel, lieber Robin, lieber Franz, lieber Maurice, danke euch allen von Herzen für diese tollen Tage.
Ich freue mich schon sehr auf das nächste Modul!
Modul 2: Wildnis im Detail
Das wechselhafte Aprilwetter, die Kälte, der Regen, der Hagel, der Wind und die Sonne waren für mich eine Herausforderung, da ich schnell friere und es lange dauert, bis ich wieder warm werde. Trotzdem glaube ich, dass es so genau richtig war. Mit dem Erleben aller Facetten verstärkt sich die Verbindung zur Natur. Mit der Dankbarkeit für jeden Regen, der der Natur geschenkt wird, folgt die Dankbarkeit für jeden wärmenden Sonnenstrahl – ein guter Kreislauf.
Das Thema Dankbarkeit verstärkt und manifestiert sich durch die Ausbildung zunehmend in meinem Leben. So bin ich sehr dankbar für meine Kommilitonen, fürs Teilen von Erlebnissen, fürs Teilen von Gefühlen und für den ehrlichen Umgang miteinander.
So auch bei den Aufgaben in den Clans: Unterschiedliche Charaktere stoßen aufeinander mit unterschiedlichen Herangehensweisen an Aufgaben. Die eigene Schattenarbeit war dadurch in diesem Modul ein Thema für mich. Es gab Situationen, Verhaltensweisen der anderen, die mich getriggert haben. Enorm wichtig für mich, diese Trigger selbst zu erkennen, benennen zu können, Verhaltensmuster zu erkennen, zu reflektieren und diese in einem ehrlichen Clangespräch auflösen zu können.
Dies ist etwas Besonderes und hat gut funktioniert. Trotz Differenzen blieb uns der Spaß im Clan erhalten und es war ein gutes Gefühl, gemeinsam Aufgaben geschafft zu haben, auf die wir stolz sein konnten. Ich habe das Gefühl, dass ich durch die Ausbildung Fortschritte mache, mehr auf mich zu hören und mir meine Auszeiten zu nehmen, wenn ich sie benötige. Ich verspüre wieder viel mehr Freude, Glück und Stolz bei kleinen Dingen, wie ich es lange schon nicht erlebt habe, zum Beispiel:
- Es raucht beim Feuerbohren und ein kleines Stückchen Glut entsteht.
- Ich erkenne einige Kräuter, die direkt bei mir am Hausboot und im Wald vor der Tür wachsen.
- Ich integriere das Räuchern am Feuer und die Redestab-Runde in den Alltag meiner Familie.
- Ich merke eine Veränderung in der visuellen und akustischen Wahrnehmung.
Ich freue mich darüber, endlich wieder Ziele zu haben. Zwar ist es für mich immer noch schwierig, den Lerndruck rauszunehmen und das Gefühl, dass ich das alles nicht schaffe, aber auch damit bin ich optimistisch und hoffe auf weitere Veränderungen. Was mich immer wieder Überwindung kostet, sind die Redestab-Runden. Eine große Nervosität überkommt mich jedes Mal und wenn ich dran bin, bekomme ich all das, was ich eigentlich mitteilen wollte, nicht in Worte gefasst.
Trotzdem bin ich sehr dankbar für dieses Ritual, fürs Zuhören, fürs Gehört-werden, für neue Denkanstöße durch die Erzählungen der anderen.
Ich freue mich auf das nächste Modul und über meine neuen Visionen und Ziele. Ich habe endlich wieder Ehrgeiz für etwas entwickelt und finde es ein wundervolles Gefühl, anderen in der Gruppe helfen zu können, Hilfe zu bekommen und annehmen zu können.
Danke
Abschlussmodul: Prüfe dich selbst
Die Metamorphose
So habe ich mich zu Beginn gefühlt: Mit riesigen Selbstzweifeln, Ängsten und Sorgen radele ich ins Modul. Der Wald, unser Platz für die Woche, fühlt sich nicht gut an, vor allem oberhalb des Möllensees. Drückend!
Mit der Wahl unseres Clanplatzes bin ich nicht glücklich. Ich wäre gerne noch weiter gestreunert, habe mich aber der Mehrheit des Clans angeschlossen. Mein Gefühl bestätigt sich. Egal wo ich meinen Schlafplatz auf dem Boden einrichte, Scherben über Scherben, alte Flaschen, Konservendosen, Müll.
Ich finde einen Platz, mit dem ich mich einigermaßen arrangieren kann. Meine Ängste verstärken sich.
Am zweiten Tag erwache ich mit starken Kopfschmerzen. Übelkeit macht sich breit, so stark, dass ich mich am Nachmittag aus dem Programm zurückziehen und hinlegen muss. Ich versuche zu schlafen. Das kenne ich so gar nicht von mir. Bestätigen sich meine anfänglichen Zweifel? Warum fühlt es sich so an?
Ich will diese Ausbildung doch machen! Ich möchte Fuß fassen! Warum bin ich schon mit solchen Bedenken hier hingefahren? Warum fühle ich mich so? Und jetzt das – AUSGENOCKT –, aber unendlich dankbar für meinen Clan, der sich so liebevoll und aufmerksam um mich kümmert, mir Essen bringt, was ich aber gar nicht herunterkriege.
Es geht mir am nächsten Tag besser. Ich bin überrascht, als ich höre, dass ich nicht die Einzige war, die so Kopfschmerzen hatte. Die Idee von Franz, ein reinigendes Ritual durchzuführen, kommt genau richtig! Es fühlt sich gut und richtig an. Wir räuchern, sammeln Müll und nehmen dem Wald ein Stück von uns Menschen produzierter Last wieder ab.
Wir erleben einen magischen Moment nach dem Ritual, der Regen kommt, wäscht alles weg – kurze Zeit später die Sonne, die den „neuen“ Platz erwärmt und ein agiles Eichhörnchen, das neugierig vor unseren Augen über einen Baumstamm balanciert. Die Energie des Platzes hat sich verändert. Es geht mir besser.
Die Zecken machen mich nervös, machen mir Angst, doch ich möchte mich dem stellen. Ich kann meinen Ängsten vor Tod und Krankheit nicht immer davonlaufen.
Ich will weiterkommen, ich will leben, in Verbundenheit, im Reinen mit mir und der Natur, ich will Vertrauen, ich will mein Urvertrauen zurückgewinnen! Ich will lernen, mit freiem Kopf und ohne Ängste und Sorgen zu sein. Ich möchte Menschen und vor allem Kinder in diese wundervolle Welt der Natur an die Hand nehmen und begleiten, mit allem, was zur Wildnispädagogik dazugehört.
Ich bin stolz darauf, durchgehalten zu haben. Hätte ich mich wieder diesen einschränkenden Ängsten unterworfen, wären mir so viele nährende Momente entgangen.
Egal ob Theorie oder Praxis, im Clan, in der Gruppe, zu zweit oder mit den Frauen, es war für mich eine unglaublich wertvolle Woche.
Ein ganz besonderer Moment in der Woche war der Parcours! Mit verbundenen Augen den Wald spüren, mich spüren, mich verbunden und sicher fühlen – ein viel zu seltenes Gefühl zu mir und meinem Körper!
Nachdem ich nach dem letzten Modul einen richtigen Hänger hatte, hat mich eure lebendige, sensible, lustige Art und Weise, wie ihr uns so vielseitig durch die Ausbildung begleitet, neu motiviert und mir neue Energie gegeben.
Vielen Dank dafür!